Entstehung von Arten: Die Proteinmenge entscheidet

20.11.2013 - Deutschland

Warum sind eng verwandte Arten bereits so diversifiziert, dass Mischlinge nicht fortpflanzungsfähig sind? Eine neue Studie zeigt, dass die Menge und nicht unbedingt die Sequenz bestimmter Schlüsselproteine dabei eine entscheidende Rolle spielt.

Biologische Arten sind dadurch definiert, dass die Paarung zweier Individuuen derselben Art lebensfähige und fruchtbare Nachkommen hervorbringt. Die Kreuzung nahe verwandter, aber unterschiedlicher Arten dagegen erzeugt Hybride, die entweder nicht lebensfähig oder steril sind, die sich also evolutionär nicht durchsetzen würden. Um zu erklären, wie sich zwei unterschiedliche Arten ausgehend von einem gemeinsamen Vorläufer genetisch so verändern, dass Mischlinge nicht mehr fortpflanzungsfähig sind, haben Wissenschaftler im frühen 20. Jahrhundert ein theoretisches Modell entwickelt: Demnach entwickeln sich bestimmte Gene schnell auseinander – und zwar so, dass sie in der jeweiligen Population gut funktionieren, aber negative Auswirkungen zur Folge haben, wenn sie im Hybrid aufeinandertreffen.

Derartige Gene werden als Dobzhansky Muller Genpaare beziehungsweise als Hybrid-Inkompatibilitätsgene bezeichnet. „Obwohl in den letzten fünf Jahren einige Dobzhansky Muller Genpaare isoliert werden konnten, war deren Funktion bis zu unseren Studien weitestgehend unbekannt“, sagt Professor Axel Imhof vom Adolf-Butenandt-Institut der LMU, der mit seinem Team nun die Funktion des Dobzhansky Muller Genpaares Lmr (Lethal male rescue) und Hmr (Hybrid male rescue) in den beiden nah verwandten Fruchtfliegen Drosophila melanogaster und Drosophila simulans aufklären konnte.

Männliche Hybride der beiden Drosophila-Arten sind nicht lebensfähig, weibliche Nachkommen sind steril. Imhofs Gruppe konnte nun zeigen, dass Hmr und Lhr bei Drosophila einen Komplex bilden, der an das Zentromer von Chromosomen bindet – also an die Einschnürungsstelle zweier Schwesterchromosomen – und dort eine wichtige Funktion bei der Zellteilung ausübt. Das Problem für die Hybriden ist: Beide Drosophila-Arten bilden sowohl Hmr als auch Lhr – aber in völlig unterschiedlichen Mengen.

D. melanogaster produziert viel mehr Hmr als D. simulans, das wiederum eine im Vergleich zu D. melanogaster stark erhöhte Lhr-Produktion zeigt. Wenn in Hybriden beide Eigenschaften aufeinandertreffen, entstehen als Resultat viel mehr Hmr-Lhr-Komplexe als in reinrassigen Individuen – die Zahl der Bindungsstellen am Zentromer bleibt aber gleich. Im Ergebnis entsteht ein Ungleichgewicht zwischen der Komplexmenge und den möglichen Bindungsstellen, weshalb sich der Komplex aus Hmr und Lhr über das gesamte Genom verteilt. Diese Fehlverteilung führt dann zur Hybridenlethalität.

Die Ergebnisse zeigen, dass für die Entstehung von Arten die Menge der beteiligten Proteine und nicht ausschließlich deren Sequenz – also die Abfolge der Aminosäuren im Protein - von großer Bedeutung ist. Dies bestärkt die Wissenschaftler darin, mithilfe der quantitativen Proteomik nach artspezifischen Unterschieden in den Proteinmengen zu fahnden. „Neben den von uns untersuchten Proteinen HMR und LHR wurden noch weitere Faktoren isoliert, die an der Artabgrenzung beteiligt sind. In weiterführenden Experimenten wollen wir auch diese genauer untersuchen und deren biologische Funktion in der reinen Art und im Hybrid analysieren“, sagt Imhof.

Originalveröffentlichung

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

So nah, da werden
selbst Moleküle rot...