Wasserstoff von halbsynthetischen Enzymen
Bereits 1870 schrieb Jule Verne: „Die Elemente des Wassers, Wasserstoff und Sauerstoff, werden auf unabsehbare Zeit hinaus die Energieversorgung der Erde sichern.“ Molekularer Wasserstoff (H2) gilt als Energieträger der Zukunft. So kann er beispielsweise in Brennstoffzellen zur Energiegewinnung eingesetzt werden. Allerdings ist Wasserstoff ein sekundärer Energieträger. Er muss aus Primärenergieträgern wie Schweröl oder Erdgas hergestellt werden. Mithilfe von Hydrogenasen lässt sich H2 auch nachhaltig und umweltfreundlich produzieren. „Jetzt sind wir in der Herstellung von biobasierten Materialien einen entscheidenden Schritt vorangekommen“, sagt Thomas Happe, Leiter der AG Photobiotechnologie von der Ruhr-Universität Bochum.
Relativ einfaches Rezept
Das Rezept zur Herstellung der halbsynthetischen Katalysatoren klingt einfach: Die Biologen gewannen mithilfe von Escherichia coli inaktive Hydrogenase-Vorstufen. Zu dieser gaben sie eine ebenfalls chemisch inaktive Eisenkomponente, die ihre französischen Kollegen aus Grenoble entwickelt haben. Nach einigen Minuten beobachteten die Forscher, dass spontan eine Wasserstoffsynthese eingesetzt hatte. Die Halb-Hydrogenase hatte den Eisenkomplex in ihr Protein-Chassis „eingebaut“ und hat selbstständig mit der biologischen Katalyse begonnen. „Bisher ging man davon aus, dass so kompliziert aufgebaute Enzyme wie die Hydrogenasen Helferproteine benötigen, die die eisenhaltige Katalyse-Einheit einbauen“, erklärt Happe. Das Max-Planck-Institut für chemische Energiekonversion in Mühlheim führte spektroskopische Messungen durch um die Effektivität der Enzym-Imitate festzustellen. Bezüglich seiner katalytischen Fähigkeiten sind sie nicht von den natürlichen Hydrogenasen zu unterscheiden. „Als ich die Idee zu diesem Experiment das erste Mal vorgeschlagen habe, hat niemand geglaubt, dass es klappen könnte.“
Umweg spart Aufwand
Wenn E. coli die Vorstufen herstellen kann, wieso lässt man den Einzeller dann nicht gleich die fertige Hydrogenase produzieren? Theoretisch ist das möglich. Allerdings ist der Prozess relativ langwierig und gleichzeitig weniger Effizient als die neue Methode der Bochumer. Um das fertige Protein zu gewinnen müsste man E. coli dazu bringen, andere Enzyme zu exprimieren, die in weiteren Schritten die Enzymbausteine in der Zelle zusammensetzen. „Die Ausbeute an Hydrogenasen und deren Qualität ist höher, wenn man den zweiten Schritt im Reagenzglas durchführt“ erklärt Erstautor Julian Esselborn gegenüber biotechnologie.de. Außerdem sei das Bakterium durch die zusätzlichen Syntheseschritte einer hohen Belastung ausgesetzt, so der Biologe. Das kompliziert aufgebaute aktive Zentrum des Enzyms ist ein Komplex aus Eisen, Kohlenstoffmonoxid und Cyanid, der nur von wenigen Lebewesen hergestellt werden kann. Das ersparten die Biotechnologen dem Bakterium und synthetisierten das aktive Zentrum selbst.
Je nach Forschungsziel könnten die Hybrid-Hydrogenasen in Zukunft großtechnisch eingesetzt werden. Eine Möglichkeit sehen die Forscher darin, die semisynthetischen Hydrogenasen zur H2-Gewinnung in Brennstoffzellen zu integrieren. Julian Esselborn forscht im Rahmen seiner Doktorarbeit momentan daran, die Hydrogenasen Sauerstoff-toleranter zu machen. Zwar kann man Enzyme modifizieren indem man ihren Bauplan ändert, also einzelne Aminosäuren austauscht. Allerdings sei es einfacher das synthetische aktive Zentrum, das die Vorläufer-Hydrogenasen in ihr Gerüst integrieren, entsprechend zu ändern, so der Doktorand. So könnten künftig möglicherweise robustere und effizientere Hydrogenasen hergestellt werden.
Wasserstoff in Bioreaktoren herstellen
Die Arbeitsgruppe Photobiotechnologie der RUB forscht parallel daran, Wasserstoff in Photobioreaktoren mithilfe der Grünalge Chlamydomonas reinhardtii zu gewinnen (mehr...). Die Einzeller produzieren den Wasserstoff unter bestimmten Bedingungen sozusagen als Energieüberschuss. So könnten aus den Bioreaktoren nicht nur kohlenstoffreiche Verbindungen gewonnen werden (mehr...) sondern auch Wasserstoff. Ein großes Problem besteht momentan noch darin, dass die natürliche Hydrogenase der Alge relativ ineffizient arbeitet und vor allem nicht sauerstofftolerant ist. Die neuen Erkenntnisse aus ihrer Studie könnten den Bochumer Biotechnologen bei der Lösung des Problems helfen. Unterstützt werden die Forschungsarbeiten unter anderem durch die Volkswagenstiftung und das Bundesministerium für Bildung und Forschung.