Wie im Hirn, so in der Pflanze?
Forscherteam entdeckt neuartigen Signalmechanismus in Pflanzenzellen
© Daniel Tapken, Lehrstuhl für Biochemie I – Rezeptorbiochemie
Glutamatähnlicher Rezeptor der Ackerschmalwand erkennt viele Aminosäuren
Um Informationen auszutauschen, senden Zellen Botenstoffe aus, die von Rezeptoren anderer Zellen erkannt werden. Vor 15 Jahren entdeckten Forscher in einer Pflanze die glutamatähnlichen Rezeptoren, kurz GLRs genannt. Für einen der insgesamt 20 GLRs aus der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) hat ein Team um die RUB-Biochemiker Prof. Dr. Michael Hollmann und Dr. Daniel Tapken nun die zugehörigen Botenstoffe identifiziert. „Erstaunlicherweise reagiert der Rezeptor nicht nur auf eine Aminosäure, sondern auf viele verschiedene – aber gerade nicht auf Glutamat“, sagt Hollmann. Am wirksamsten ist Methionin, eine Aminosäure, die Menschen mit der Nahrung aufnehmen müssen, Pflanzen jedoch selbst herstellen können. Mutierte das Forscherteam die Pflanze so, dass sie den Rezeptor AtGLR1.4 nicht mehr enthielt, reagierte sie kaum noch auf Methionin.
Pflanzenrezeptor ist ein Kanal
In mancher Hinsicht verhielt sich der Rezeptor AtGLR1.4 ähnlich wie die Glutamatrezeptoren im Gehirn. Er ist ein Kanal, öffnet also – aktiviert durch einen Botenstoff – eine Pore und lässt verschiedene positiv geladene Teilchen in die Zelle strömen; so löst er ein elektrisches Signal aus. „Eine Besonderheit an diesem Rezeptor ist, dass nicht alle Aminosäuren, die an ihn binden, ein elektrisches Signal auslösen. Im Gegenteil! Manche unterdrücken das Signal, indem sie Methionin vom Rezeptor verdrängen“, erklärt Daniel Tapken.
Funktion von Methionin-Rezeptoren in Pflanze unklar
„Warum die Pflanze überhaupt Methionin und ähnliche Aminosäuren erkennt, ist noch völlig unklar“, so der Bochumer Biochemiker weiter. „Es könnte sein, dass sie auf diese Weise auf Nährstoffquellen in der Umgebung reagiert, die Aminosäuren enthalten. Es ist aber auch möglich, dass die Pflanze selbst gezielt Aminosäuren als Botenstoffe herstellt, um Signale zu übertragen – ähnlich wie es im menschlichen Gehirn geschieht.“
Rezeptoren für Analyse in Frosch-Eizellen eingebaut
Für die Analysen isolierte das RUB-Team den glutamatähnlichen Rezeptor aus Pflanzenzellen und baute ihn in eine Zelle ein, die keine ähnlichen Rezeptoren besitzt – eine unbefruchtete Frosch-Eizelle. „Den Rezeptor direkt in der Pflanze zu untersuchen ist kaum möglich“, weiß Hollmann. „Dort laufen so viele Prozesse gleichzeitig ab, dass man die entscheidenden Signale schwer herausfiltern kann.“