Zeit zur Zusammenarbeit

Max-Planck-Forscher haben ein Computermodell dafür entwickelt, wann Kooperation im Angesicht von drohenden Katastrophen erfolgreich ist

19.06.2013 - Deutschland

Die meisten Menschen kennen die Gefahren des Klimawandels. Trotzdem wollen nur wenige auf Auto, Urlaubsreisen und Fleischkonsum verzichten. Aber nur wenn alle etwas beitragen, lassen sich die Folgen noch mildern. Doch lohnt es sich, Einschränkungen in Kauf zu nehmen und mit anderen zu kooperieren, obwohl nicht einmal klar ist, ob das Ziel erreicht werden kann? Ein soziales Dilemma für den Einzelnen und die Gesellschaft, die nicht mehr als unbedingt nötig in den Klimaschutz investieren möchte. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie in Plön haben ein Computermodell entwickelt, das den Einfluss des Faktors Zeit auf die Kooperationsbereitschaft ermittelt, wenn egoistisches Verhalten extrem negative Auswirkungen für alle haben kann. Demnach kooperieren Menschen eher, wenn sie über längere Zeit hinweg dazu die Möglichkeit haben. Andererseits zahlt es sich aber trotz der drohenden Folgen für alle aus, zunächst weiter den eigenen Vorteil zu verfolgen und mit dem Kooperieren solange wie möglich abzuwarten.

Menschen kooperieren selbst dann nicht immer, wenn sie dadurch mögliche Katastrophen abwenden könnten. Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit hängt davon ab, wie wahrscheinlich ein für alle katastrophales Ereignis sein wird: Ein geringes Risiko unterdrückt die Kooperationsbereitschaft, bei einem hohen Risiko setzt sich dagegen in der Regel der Wille zur Kooperation durch. Bei mittleren Risiken arbeiten Menschen nur unter bestimmten Umständen zusammen.

Die Bedingungen, die Menschen bewegen zu kooperieren, um eine Katastrophe abzuwenden, haben nun der Evolutionsforscher Arne Traulsen und sein Team vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön mithilfe eines Modells berechnet. In ihren Berechnungen haben die virtuellen Beteiligten mehrfach die Möglichkeit zu entscheiden, ob sie miteinander kooperieren und auf persönliche Vorteile verzichten wollen. Ab einem bestimmten Punkt können sie die Katastrophe dann aber nicht mehr abwenden. „Anders als in früheren Studien versuchen wir, natürliche Verhaltensweisen in solchen Interaktionen theoretisch zu beschreiben. An Stelle von Verhaltensexperimenten nutzen wir analytischen Rechnungen und Simulationen. Damit wollen wir herausfinden, welche Rolle die Zeit in einem solchen Szenario spielen kann“, erklärt Christian Hilbe, Erstautor der Studie.

Die Ergebnisse zeigen zwei Effekte:  Zum einen wächst die Kooperationsbereitschaft mit jeder Entscheidungsrunde. Andererseits neigen die Beteiligten dazu, erst später ihren Beitrag zur Verhinderung der drohenden Katastrophe zu leisten. „Abwarten ist die Strategie, die sich in unserem Modell als sehr erfolgreich erweist“, erklärt Arne Traulsen.

Ein Vorgehen, das sich im realen menschlichen Verhalten widerspiegelt: Lohnt es sich wirklich, jetzt schon Benzin einzusparen oder auf den Flug nach Mallorca zu verzichten? Was in der Simulation eine erfolgreiche Strategie ist, kann jedoch in der Wirklichkeit verheerende Folgen haben. Wenn zu viele Menschen abwarten, bis die Katastrophe kurz bevorsteht, ist  es für eine Umkehr vielleicht zu spät. Wenn jedoch zu früh kooperiert wird, ist unklar, wer später nur noch weniger beitragen muss. „Im Modell und im Verhaltensexperiment ist die Dauer des Spiels festgelegt und daher das richtige Timing eindeutig, aber in der Realität kann es leicht passieren, dass es für Kooperation schon zu spät ist“, bestätigt Traulsen.

Die Modelle beschreiben Verhaltensexperimente am Plöner Max-Planck-Institut. Forscher um Manfred Milinski ließen in einem öffentliche-Güter-Spiel Gruppen von Studenten Geld virtuell in die Rettung des Klimas investieren. Sie mussten dafür eine bestimmte Geldmenge erreichen, um die Katastrophe abzuwenden.  Gelang das nicht, hatten alle ihr komplettes Guthaben mit hoher Wahrscheinlichkeit verloren. Im Erfolgsfall profitierten auch die Trittbrettfahrer, die auf das kooperative Verhalten der Mitspieler setzten. Die Experimente zeigen, dass Menschen vor allem dann einen Beitrag leisten, wenn sie persönliche Nachteile fürchten. Klimakonferenzen würden demzufolge eher erfolgreich sein, wenn sie noch stärker die wirtschaftlichen Schäden des Klimawandels aufzeigten.

Das theoretische Modell zeigt, dass genaues Wissen über die notwendigen Beiträge und die Dauer der Interaktion hilft, solche gemeinsamen Ziele zu erreichen – mit dem möglichen Nebeneffekt, dass Kooperation erst im letzten Moment stattfindet.

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