Bauchfellkrebs: RUB-Mediziner entwickeln neue Methode der Chemotherapie

Mehr Lebensqualität für hoffnungslose Fälle?

08.05.2013 - Deutschland

Mit einem feinen Aerosol eines Chemotherapeutikums, das unter Druck direkt in die Bauchhöhle eingebracht wird, versuchen Spezialisten im RUB-Klinikum Marienhospital Herne, den tödlichen Bauchfellkrebs zurückzudrängen, um den Patienten Lebenszeit und -qualität wiederzugeben. Erste Ergebnisse sind ermutigend: In Einzelfällen ist es gelungen einen Rückgang der Tumore auszulösen. In der Onkologie eine kleine Revolution.

Sechs bis zwölf Monate sind die Lebenserwartung mit Bauchfellkrebs

Bauchfellkrebs – diese Diagnose kommt heute einem Todesurteil gleich. Fast immer sind die Tumore Metastasen anderer Krebsgeschwüre, und fast immer führen sie zum Tod. „Sechs bis zwölf Monate, so lang ist die Lebenserwartung eines Patienten mit Bauchfellkrebs im Durchschnitt“, sagt Prof. Dr. Marc André Reymond, Abteilungsleiter im Marienhospital. Rund 20.000 Menschen in Deutschland sind jedes Jahr davon betroffen. Die meisten haben mehrere Chemotherapielinien hinter sich, deren Wirksamkeit sich von Mal zu Mal abschwächt und deren Nebenwirkungen erheblich sind. Bauchfelltumore sprechen darauf ohnehin nicht gut an. „Von einer Chemotherapie, die über die Vene verabreicht wird, kommt nur wenig ein kleiner Teil der Dosis in diesen Tumoren an“, so Prof. Reymond.

Chemotherapeutikum in den Bauchraum vernebeln

Er und sein Team haben eine neue Methode entwickelt, mit der sie hoffen, die Krebsgeschwüre direkter erreichen und zurückdrängen zu können. Gemeinsam mit Ingenieuren konstruierten sie ein Gerät, das das Chemotherapeutikum, das sonst in den Blutkreislauf geleitet wird, unter Druck direkt in die Bauchhöhle vernebelt. Das feine Aerosol wird durch zwei winzige Schnitte in der Bauchdecke eine halbe Stunde lang appliziert. Durch die Vernebelung und den Druck erreichen die Mediziner, dass das Medikament bis in die kleinsten Winkel der Bauchhöhle gelangt und dass es tiefer in das Tumorgewebe eindringt, das im Vergleich zu gesundem Gewebe einen erhöhten inneren Druck aufweist. Spülungen mit Chemotherapeutika perlen deswegen daran ab wie Wasser vom Gefieder eines Vogels.

Ermutigende Ergebnisse

Die Herner Mediziner haben das neue Verfahren namens PIPAC (Pressurized IntraPeritoneal Aerosol Chemotherapy) zunächst im Rahmen so genannter Heilversuche bei Patienten im Endstadium der Krankheit angewandt, je zwei- bis viermal in sechswöchigen Intervallen. Um zu untersuchen, ob das Medikament tatsächlich wie erhofft in das Tumorinnere eindringt, nahmen sie bei jeder Behandlung Gewebeproben. Ergebnis: Das Chemotherapeutikum war nach einer halben Stunde Expositionszeit bis in ca. 500 Mikrometer Tiefe des Tumorgewebes nachweisbar, deutlich tiefer als bei jeder anderen Art der Behandlung. Bauchspiegelungen und Gewebeproben, die im Abstand von mehreren Wochen nach der Behandlung durchgeführt wurden, zeigten wiederholt eine objektive Rückbildung des Bauchfelltumors.

Vorsichtiger Optimismus: Lebensqualität und Zeit gewinnen

„Diese Ergebnisse sind für uns und die Patienten ermutigend“, sagt Prof. Reymond. „Aber wir müssen vorsichtig bleiben und dürfen keine allzu großen Hoffnungen machen: Wir behandeln Patienten im Endstadium der Krebskrankheit. Es ist eine Gratwanderung zwischen berechtigter Hoffnung und Wünschen, die vom Menschen nicht erfüllbar sind. Größere Studien, die zeigen werden, ob sich die Wirkung des Verfahrens statistisch belastbar nachweisen lässt, folgen erst jetzt.“ Anfang 2013 starteten die Forscher eine erste Phase-II-Studie mit 50 Patientinnen, bei denen der Bauchfellkrebs ursprünglich auf Eierstockkrebs zurückzuführen ist. „Wir werden mit unserem Verfahren in den meisten Fällen den Krebs nicht heilen können“, unterstreicht Prof. Reymond. „Aber wir können ein bisschen mehr Zeit und Lebensqualität zurückgeben – das ist für die Patienten, die verzweifelt und ohne Hoffnung zu uns kommen, unendlich viel.“

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