Neue Strategien gegen das Multiple Myelom
Jährlich erkranken in den westlichen Industrienationen rund eine halbe Million vor allem ältere Menschen am Multiplen Myelom. Bei dieser Krebskrankheit entarten im Knochenmark bestimmte Immunzellen. Sie überfluten dann den Körper mit fehlerhaft produzierten Antikörpern, unterdrücken durch ihr aggressives Wachstum die Blutbildung und schädigen durch verstärkten Knochenabbau das Skelett. Mit den verfügbaren Standardtherapien ist das Multiple Myelom bislang nicht heilbar.
Genetische Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Krebsart höchstwahrscheinlich vielfältige Ursachen hat. „Alles deutet darauf hin, dass die bösartigen Zellen stark von den spezifischen Umgebungsbedingungen des Knochenmarks abhängig sind“, sagt Professor Hermann Einsele, Krebsspezialist von der Universität Würzburg. Darum konzentriert sich die Forschung nicht nur auf den Tumor selber, sondern auch verstärkt auf dessen Umgebung.
Auf diesem Gebiet hat sich das neue internationale Forschungsnetzwerk „Optatio“ gegründet (Optimizing Targets and Therapeutics in high risk and refractory Multiple Myeloma). Es vereint zwölf europäische Partner aus Österreich, Tschechien, Italien, Ungarn, Großbritannien, Spanien und Deutschland. Sie wollen gemeinsam neue Wirkstoffe gegen das Multiple Myelom finden. Die Europäische Union fördert das Projekt bis 2014 mit fast drei Millionen Euro. Rund 300.000 Euro davon fließen nach Würzburg.
Warum Würzburg eine wichtige Rolle spielt
Das am Projekt beteiligte Team vom Würzburger Universitätsklinikum wird von Professor Hermann Einsele geleitet, dem Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II. Es spielt in dem Netzwerk eine maßgebliche Rolle, weil es innovative Technologien einbringt. Zudem sorgen die Würzburger dafür, dass Multiple-Myelom-Patienten möglichst rasch von den neu gewonnenen Erkenntnissen profitieren können.
Innovativ sind unter anderem die Behandlungsstrategien, die am Würzburger Uniklinikum verfolgt werden: Sie setzen auf Antikörper und auf die Kombination neu entwickelter Medikamente. Darüber hinaus hat die Forschungsgruppe von Dr. Andreas Beilhack Mausmodelle entwickelt, an denen sich die Wirksamkeit neuer Substanzen gegen Myelom-Zellen untersuchen lässt. Zur Auswertung dieser Versuche hat Beilhacks Team eine Mikroskopietechnik erarbeitet, mit der die dreidimensionale Darstellung von Tumorzellen im intakten Knochen möglich ist.
Wie Patienten direkt profitieren können
Myelom-Patienten sollen von der Optatio-Initiative direkt profitieren. Möglich wird das durch die „Early Clinical Trial Unit“ (ECTU) der Würzburger Medizinischen Klinik und Poliklinik II. In dieser Einrichtung bieten die Wissenschaftler Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen in aussichtslosen Situationen viel versprechende neuartige Therapien an. Eine große Rolle spielt dabei die Erprobung von Substanzen, die erstmals überhaupt bei Tumorpatienten eingesetzt werden.
Knochenmarkspenden erwünscht
„Der Fortschritt unserer Forschungsinitiative hängt zu einem großen Teil auch davon ab, dass Patienten, die an einem Multiplen Myelom erkrankt sind, Proben ihres Knochenmarks spenden“, sagt Professor Einsele. Auf solche Proben sei man angewiesen, um neue Wirkstoffe gegen die Erkrankung erforschen zu können.
Originalveröffentlichung
Brede C, Friedrich M, et al., Mapping immune processes in intact tissues at cellular resolution. The Journal of Clinical Investigation, 122 (12), 4439-4446, 2012
Riedel SS, Mottok A, et al., Non-invasive imaging provides spatiotemporal information on disease progression and response to therapy in a murine model of multiple myeloma. PLoS ONE 7: e52398, 2012