UKE-Forscher entwickeln neues optisches Verfahren: Nervenzellen bei der Arbeit zusehen

25.03.2013 - Deutschland

UKE-Wissenschaftler am Zentrum für Molekulare Neurobiologie Hamburg (ZMNH) haben ein optisches Verfahren entwickelt, mit dem sie den Prozess der Informationsübertragung von Nervenzellen beobachten und untersuchen können. In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Neuron¹ nutzen die Grundlagenforscher ein Zwei-Photonen-Mikroskop, um funktionelle Messungen an einzelnen Synapsen in intaktem Gewebe durchzuführen.

Der Botenstoff Glutamat ist für die schnelle Informationsübertragung von einer Nervenzelle zur nächsten von großer Bedeutung. Der Neurotransmitter wird von den Nervenzellen in kleine Membranvesikel verpackt und nur bei Aktivität freigesetzt: Im Durchschnitt besitzt jede präsynaptische Nervenendigung etwa 200 solcher Vesikel, die nach der Fusion mit der Zellmembran jeweils wieder recycelt werden. Der Mechanismus der Vesikelfusion wurde bisher hauptsächlich an isolierten Nervenzellen untersucht, die auf Glasplatten kultiviert werden. Bei diesem Verfahren nutzen Synapsen nur etwa die Hälfte ihres Vesikelvorrats, die andere Hälfte liegt brach.

In der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Thomas Oertner, Direktor des Instituts für Synaptische Physiologie am Zentrum für Molekulare Neurobiologie Hamburg (ZMNH), wurde nun ein neues optisches Verfahren entwickelt, um die Fusion von Vesikeln in intakten Gewebekulturen eines speziellen Hirnareals, des Hippokampus, zu untersuchen. Bei den Untersuchungen mit der Zwei-Photonen-Mikroskopie zeigte sich, dass im Laufe der ersten drei Lebenswochen der Gewebekultur immer mehr der vorhandenen Vesikel genutzt werden. Außerdem beschleunigt sich der Recyclingprozess enorm, so dass in ausgereiftem Hirngewebe jede Synapse mit extrem hoher Effizienz auf ihren gesamten Vorrat an dem Neurotransmitter Glutamat zugreifen kann.

„Bislang war unklar, wie die Informationsübertragung an Synapsen überhaupt dauerhaft aufrecht erhalten werden kann“, erläutert Prof. Oertner. „Rein rechnerisch müsste den Synapsen relativ schnell das Glutamat ausgehen, bei einem so kleinen Vorrat“. Die neuen Messungen, die heute in Neuron veröffentlicht werden, lösen dieses scheinbare Paradoxon auf, das neurobiologische Grundlagenforscher seit vielen Jahren beschäftigt.

Diese grundlagenwissenschaftlichen Erkenntnisse könnten in Zukunft für psycho- oder verhaltenstherapeutische Verfahren von Bedeutung sein. „Unsere Studie zeigt, dass Synapsen eine lange Zeit brauchen, um die volle Leistungsfähigkeit zu erreichen. Der Hippokampus ist für die Umwandlung von Kurz- in Langzeitgedächtnis von zentraler Bedeutung. Wir vermuten, dass die Stabilität von Gedächtnisinhalten mit der Stabilität und Leistungsfähigkeit von Synapsen im Hippokampus zusammenhängt“, sagt Prof. Oertner. Eines Tages könnte es zum Beispiel möglich sein, traumatische Erinnerungen durch eine gezielte Destabilisierung der beteiligten Synapsen zu löschen. Die Verhaltenstherapie bei posttraumatischen Belastungsstörungen beruht heute bereits auf einem ähnlichen Konzept.

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