Forscher entdecken Gendefekt in Mitochondrien

Bessere Diagnose von Erkrankungen des Energiestoffwechsels

17.01.2013 - Deutschland

Defekte im Erbgut von Mitochondrien führen zu einer Reihe von Erkrankungen, weil die „Zellkraftwerke“ dann nicht mehr genug Energie bereitstellen können. Davon betroffen sind häufig Muskeln und Gehirnzellen, die besonders viel Energie brauchen. Ein Forscher-Team des Deutschen Netzwerks für mitochondriale Erkrankungen (mitoNET) hat nun eine Genmutation entdeckt, die bei der Vervielfältigung des Mitochondrien-Erbguts eine Schlüsselrolle spielt. Damit können künftig Erkrankungen des Energiestoffwechsels besser diagnostiziert werden.

Mitochondrien besitzen eine eigene Form der DNA, die ringförmig geschlossen ist. Ist diese Blaupause der Mitochondrien-Erbsubstanz fehlerhaft, kommt es zu Störungen des Stoffwechsels. Wie diese DNA vermehrt wird, ist bisher nicht vollständig erforscht. Gehirn- und Muskelzellen benötigen besonders viel Energie. Ist der Energiestoffwechsel der Mitochondrien gestört, sind deshalb besonders häufig diese Organe betroffen.

Genetisch bedingte Erkrankungen des Energiestoffwechsels sind nicht nur selten, sie zeigen auch individuell sehr unterschiedliche Symptome. Patienten durchlaufen häufig eine Ärzte-Odyssee, denn solch seltene Erkrankungen werden oft erst spät erkannt. „Die Genomanalyse ermöglicht eine genaue Diagnose“, erklärt Dr. Holger Prokisch vom Institut für Humangenetik der TU München und dem Helmholtz-Zentrum München.

Forscher entdecken neuen Gendefekt

Münchner Humangenetikern gelang es die Mutation eines Gens nachzuweisen, dessen Funktion bisher nicht beschrieben war. Das Gen kodiert ein Enzym, das von der Forschergruppe Mitochondrial Genome Maintenance Exonuclease 1 (MGME1) benannt wurde. MGME1 spielt bei der Vervielfältigung der mitochondrialen DNA eine wesentliche Rolle.

Dr. Prokisch untersuchte in der Studie Gewebeproben von Patienten des Neurologischen Universitätsklinikums Bonn, die an einer erblichen Mitochondrien-Erkrankung leiden. Die Bonner Wissenschaftler konnten anhand von Gentests alle bekannten Mutationen ausschließen, die mit einer solchen Erkrankung zusammenhängen. „Wir haben uns mithilfe der Exom-Sequenzierung auf die Suche gemacht“, erklärt Dr. Prokisch. Hierbei analysieren die Wissenschaftler gezielt solche DNA-Abschnitte, die für Proteine oder andere funktionelle Produkte kodieren. Das Exom macht nur etwa 1,5 Prozent der menschlichen DNA aus, ist aber schätzungsweise für mehr als 85 Prozent aller genetisch bedingten Erkrankungen verantwortlich. Prokisch und sein Team verglichen den kodierenden Anteil der DNA der Patienten mit der von gesunden Personen - und entdeckten Mutationen in einem bisher noch nicht charakterisierten Gen „c20orf72“. „Die Mutationen in dem Gen auf Chromosom 20 sprachen für einen Funktionsverlust“, berichtet Dr. Prokisch, „und durch das Einschleusen des intakten MGME1-Gens in die kranken Hautzellen wurden die Mitochondrien wieder voll funktionsfähig.“

Hoffnung auf schnellere Diagnosestellung

„Diese Ergebnisse aus der Grundlagenforschung helfen nicht nur, unser Verständnis von der Entstehung von Krankheiten zu verbessern“, berichtet die Erstautorin der Studie, Privatdozentin Dr. med. Cornelia Kornblum, Leiterin der Neuromuskulären Ambulanz der Klinik und Poliklinik für Neurologie des Bonner Universitätsklinikums. „Wir können damit Patienten mit einem solchen Gendefekt viel besser diagnostizieren.“ Mit dem Ziel, die Patientenversorgung zu verbessern, fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung das Deutsche Netzwerk für mitochondriale Erkrankungen „mitoNET“ (Koordinator und Koautor Prof. Thomas Klopstock, LMU München), welches diese Untersuchungen möglich machte.

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