Das Immunsystem als Ziel oder Partner der Therapie
Symposium der Paul-Martini-Stiftung und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina
„In drei Bereichen der Medizin sind modulierende Eingriffe ins Immunsystem von besonderer Bedeutung: bei Tumorerkrankungen, bei Entzündungskrankheiten und in der Transplantationsmedizin. Sie alle profitieren davon, dass das Wissen über das Immunsystem – nicht zuletzt durch deutsche Forschergruppen – stark zunimmt. Es vergeht kaum ein Jahr, in dem nicht eine wesentliche neue Komponente neu gefunden oder erstmals als therapeutischer Angriffspunkt erschlossen wird.“Dies erklärte der Münchner Prof. Dr.Stefan Endres beim Symposium „Klinische Immunintervention: aktuelle und künftige Ansätze“ in Berlin, das er zusammen mit Prof. Dr. Stefan C. Meuer, Heidelberg, und Prof. Dr. Dr. h. c. Peter C. Scriba, München, leitete. Veranstalter des Symposiums am 16. und 17.11.2012 waren die Paul-Martini-Stiftung (PMS) und die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina.
In der Onkologie zielen Immun-Interventionen darauf ab, das Immunsystem gegen die Tumorzellen zu aktivieren. Seit Ende der 1990er Jahre wächst das Sortiment an monoklonalen Antikörpern, die zu diesem Zweck gegen bestimmte solide und hämatologische Tumoren eingesetzt werden können. Einer ihrer Wirkmechanismen ist die Markierung von Tumorzellen, die anschließend von Makrophagen beseitigt werden (antibody dependent cellular cytotoxicity). Wie Dr. Christian Klein von der Schweizer Roche Glycart AG, Schlieren, berichtete, lässt sich die Wirksamkeit solcher Antikörper durch gezielte Optimierung ihrer Glykosylierung weiter steigern. Auch mit bispezifischen Antikörper-Derivaten, sogenannten BiTEs, ist es gelungen, besonders effektiv die Zerstörung von Tumorzellen durch zytotoxische T-Zellen einzuleiten. Über Studienergebnisse hierzu referierte Prof. Dr. Gerhard Zugmaier vom Unternehmen AMGEN Research (Munich) GmbH.
Ein Ansprechen des eigentlich zum Erkennen bakterieller DNA dienenden Rezeptors TLR-9 kann die Tumorbekämpfung ebenfalls unterstützen. Die Berliner Firma Mologen hat dazu eine hantelförmiges, kovalent geschlossenes DNA-Molekül entwickelt; ihr CEO Dr. Mathias Schroff stellte viel versprechende Ergebnisse von ersten klinischen Studien vor.
Daneben werden von mehreren Firmen und akademischen Forschergruppen Ansätze für eine therapeutische Impfung gegen maligne Tumore verfolgt. Als Antigene dienen Oberflächenproteine oder davon abgeleitete Peptide, die für die betreffenden Tumoren typisch sind. Besonders erfolgreich zeigte sich die Impfung mit Multipeptidcocktails.
Es wird erwartet, dass eine individualisierte Multipeptidvakzinierung mit Peptiden, die genau den patientenspezifischen Krebsmutationen entsprechen, noch besser wirkt, wie Prof. Dr. Hans-Georg Rammensee, Universität Tübingen, erläuterte. Das sei zwar aufwendig, doch induzierte so ein Impfstoff vermutlich eine stärkere Immunantwort als solche aus Tumor-Standardpeptiden.
Doch nicht nur die Medizin, sondern auch die Tumore selbst sind zur Immunmodulation - nämlich zur Immunsuppression - fähig. Aber es gibt Gegenmaßnahmen. So kann beispielsweise der Antikörper Ipilimumab T-Zellen bei Melanompatienten vor Inaktivierung schützen, wenn auch mit autoimmunen Nebenwirkungen. Erprobt wird zudem, ob es möglich ist, T-Zellen extrakorporal zu aktivieren und dann zurück zu
infundieren.
T-Zellen spielen auch bei vielen Autoimmunkrankheiten eine zentrale Rolle. Hier besteht die therapeutische Aufgabe jedoch darin, ihre Aktivität herunter zu regulieren. Angriffspunkte dafür bieten verschiedene Zytokine wie TNF-alpha sowie Interleukin 1 und 6.
T-Zell-Kontrolle genügt jedoch nicht für eine Heilung; dieser steht vielmehr häufig die Existenz langlebiger Gedächtnis-Plasmazellen im Wege; wie Prof. Dr. Falk Hiepe von der Charité und dem Deutschen Rheuma-Forschungszentrum erläuterte. Diese Zellen sezernierten pathogene Auto-Antikörper. Eliminieren könne man diese bislang nur durch eine hämatopoetische Stammzell-Transplantation mit all ihren Risiken. Medikamentös sei bislang lediglich eine Reduktion gelungen, doch gebe es Konzepte für weitere Fortschritte.
Als weitere wichtige Targets für die Therapie von Entzündungskrankheiten kommen die Mustererkennungs-Rezeptoren des angeborenen Immunsystems (die der Detektion mikrobieller Eindringlinge dienen) und die von ihnen ausgehenden Signalkaskaden in Betracht. Dazu zählen unter anderem intrazelluläre Proteinkomplexe der Inflammasomenfamilie, wie Prof. Dr. Veit Hornung vom Institut für klinische Chemie und klinische Pharmakologie der Universität Bonn erläuterte. Sie können auch auf körpereigene Stimuli wie Harnsäure- oder Cholesterinkristalle hin Entzündungsprozesse fördern.
Nach wie vor eine große Herausforderung ist die Immunsuppression nach Organtransplantation, induziert das Fremdgewebe doch bei Ungleichheit der Gewebsmerkmale auf mehrfache Weise schädliche Abwehrreaktionen. Noch immer seien Kompromisse zwischen der Langzeit-Wirksamkeit und der Verträglichkeit der immunsuppressiven Therapie unvermeidlich, wie Prof. Dr. Martin Zeier von der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg berichtete. Gesucht werde unter anderem
nach Möglichkeiten, die zwar wirksame, aber nebenwirkungsträchtige Klasse der Calcineurin-Inhibitoren künftig durch Medikamente mit anderem Wirkprinzip zu ersetzen.