Schwangerschaftsdiabetes: Stillen verringert späteres Typ-2-Diabetes-Risiko
Insulinpflichtiger Schwangerschaftsdiabetes führt bei 90 Prozent zu Typ-2-Diabetes
Das größte Risiko für Typ-2-Diabetes haben Frauen, die während der Schwangerschaft mit Insulin behandelt werden mussten: Fast zwei Drittel dieser Gruppe von Teilnehmerinnen der prospektiven Gestationsdiabetes-Studie entwickelten innerhalb von drei Jahren nach der Entbindung einen Typ-2-Diabetes – innerhalb von 15 Jahren waren es sogar über 90 Prozent. In der prospektiven Gestationsdiabetes-Studie wird die Entwicklung von Typ-2-Diabetes bei Gestationsdiabetikerinnen seit 19 Jahren analysiert.
Bekannt waren bislang kurzzeitige positive Effekte des Stillens auf den Stoffwechsel der Mutter. Es gibt Anzeichen dafür, dass Frauen, die stillen, während dieser Zeit bessere Werte im Glukose- und Fettstoffwechsel und einen niedrigeren Östrogenspiegel aufweisen. Offenbar beeinflusst das Stillen über diesen Zeitraum noch drei Jahre nach der Entbindung die Konzentration von zwei Hormonen, die als Gegenspieler das Hungergefühl kontrollieren: das appetitanregende Ghrelin und das Hormon PYY, das ein Sättigungsgefühl vermittelt.
Neu ist jedoch die Erkenntnis, dass Stillen auch langfristig einem Typ-2-Diabetes der Mutter vorbeugt. Dies gilt ausschließlich für diejenigen Gestationsdiabetikerinnen, bei denen keine mit Typ-1-Diabetes assoziierten Autoantikörper nachgewiesen werden konnten. Dies traf auf die meisten der 304 Teilnehmerinnen der Studie zu: Nur 32 Teilnehmerinnen hatten diese Autoantikörper gebildet. Bei ihnen konnte kein Einfluss des Stillens auf die Entwicklung eines Diabetes postpartum festgestellt werden.
Durch Stillen Typ-2-Diabetes um zehn Jahre verzögern
Dabei ist die Länge des Stillens entscheidend: Nur wer länger als drei Monate stillte, hatte ein 15-Jahres-Risiko für Typ-2-Diabetes von 42 Prozent. Noch mehr konnten die Probandinnen ihr Erkrankungsrisiko verringern, wenn sie in diesem Zeitraum ihr Baby ausschließlich mit Muttermilch ernährten (15-Jahres-Risiko von 34,8 Prozent). Durch das Stillen konnten die autoantikörper-negativen Teilnehmerinnen die Entwicklung von Typ-2-Diabetes um durchschnittlich zehn Jahre verzögern.
Die Frauen, die ihren Gestationsdiabetes während der Schwangerschaft allein mit einer Diät behandeln konnten, erzielten durch das Stillen den größten vorbeugenden Erfolg. Dieser war nicht abhängig vom Body-Mass-Index (BMI) der Teilnehmerinnen. Allerdings stillten die übergewichtigen Frauen ihr Kind im Schnitt früher ab – und zwar im Mittel nach fünf Wochen. Dagegen betrug die durchschnittliche Stilldauer bei der Gesamtheit der Teilnehmerinnen neun Wochen.
„Die Ergebnisse zeigen, dass Frauen aus der Risikogruppe, ihr persönliches Risiko für Typ-2-Diabetes erheblich verringern können, wenn sie ihr Kind stillen“, so die Direktorin des Instituts für Diabetesforschung am Helmholtz Zentrum München, Professor Anette-Gabriele Ziegler. „Es ist daher insbesondere übergewichtigen Frauen zu empfehlen, ihrem Kind mindestens drei Monate die Brust zu geben.“ Ziel der Forschergruppe ist nun, die Mechanismen zu untersuchen, die für den protektiven Langzeiteffekt des Stillens verantwortlich sind.
PINGUIN-Studie: Typ-2-Diabetes verhindern
Frauen, bei denen ein insulinpflichtiger Schwangerschaftsdiabetes vor bis zu neun Monaten diagnostiziert wurde, haben noch die Gelegenheit, an einer neuen vorbeugenden Studie des Instituts für Diabetesforschung teilzunehmen: In der PINGUIN-Studie (Postpartale Intervention bei Gestationsdiabetikerinnen unter Insulintherapie) soll durch Ernährungs- und Bewegungstherapie sowie durch Einnahme des Wirkstoffs Vildagliptin die Entstehung von Typ-2-Diabetes verhindert werden. Der Wirkstoff ist zur Behandlung von Typ-2-Diabetes etabliert. Die Teilnehmerinnen werden nicht nur bei der Umstellung auf einen gesunden Lebensstil, sondern auch – falls nötig – bei einer Gewichtsreduktion unterstützt.