Altersschwache Abwehrkräfte: Forscher zeigen Spätfolgen von chronischer Virus-Infektion
HZI / Rohde
Die Wissenschaftler um den Braunschweiger Immunologen Prof. Luka Cicin-Sain, Leiter der Nachwuchsgruppe „Immunalterung und Chronische Infektionen“ am HZI, haben ihre Entdeckung jetzt im frei zugänglichen Wissenschaftsjournal PLoS Pathogens veröffentlicht. In dem Fachartikel beschreiben sie, dass Mäuse auch noch Monate nach einer Infektion mit CMV schwächere Abwehrkräfte gegen andere Viren wie zum Beispiel Grippe-Erreger zeigen.
Ohne es zu bemerken, sind die meisten Erwachsenen mit CMV infiziert. Das ist auch nicht weiter schlimm, denn in 99 Prozent der Fälle macht uns dieses Herpes-Virus nicht krank. Nur bei Menschen mit geschwächter Immunabwehr, zum Beispiel Empfängern eines Spenderorgans oder HIV-Infizierten, oder wenn die Infektion während der Schwangerschaft erfolgt, kann die Cytomegalie gefährlich werden. Bei allen anderen wird das Virus vom Immunsystem in Schach gehalten, obwohl es im Körper verbleibt. „In jungen Menschen könnte diese dauernde Aktivierung des Immunsystems sogar von Vorteil sein, weil andere Infektionen dadurch prompt abgewehrt werden können. Aber eine helle Kerze brennt auch schneller ab“, sagt Cicin-Sain und meint damit, dass die Immunabwehr im Laufe der Lebensjahre abgenutzt wird. Es kommt zu Veränderungen des Immunsystems, die als „Immun-Risiko-Profil“, kurz IRP, zusammengefasst werden. Ein Zusammenhang zwischen IRP und der Anwesenheit des Cytomegalie-Virus wurde schon in vielen anderen Studien beobachtet. Unklar war bisher allerdings, ob diese Immunalterung eine Auswirkung der CMV-Infektion ist oder ob anders herum das Risikoprofil CMV begünstigt.
Die Ergebnisse von Cicin-Sains Arbeitsgruppe und seinen amerikanischen Kollegen von der Oregon Health and Science University in Portland und vom College of Medicine der University of Arizona in Tucson legen nahe, dass die andauernde Anwesenheit des Erregers zur Immunalterung zumindest beiträgt. „Natürlich altert das Immunsystem auch ohne CMV“, erklärt Cicin-Sain. Aber: Als Dauergast verlangt das Virus immer mehr Aufmerksamkeit von den T-Zellen, einer wichtigen Gruppe von Zellen der Immunabwehr. Je länger die Mäuse in den Experimenten schon mit CMV infiziert waren, umso mehr dieser Zellen waren mit dem Cytomegalie-Virus beschäftigt. Und fehlten für die Abwehr von anderen Erregern. Folglich konnten CMV-infizierte Mäuse eine weitere Infektion, beispielsweise mit dem Grippe- oder dem West-Nil-Virus, viel schlechter bekämpfen als CMV-freie Vergleichstiere. „Wahrscheinlich behindert die große Zahl von CMV-spezifischen T-Zellen in den Lymphknoten die Aktivierung der übrigen Zellen“, folgert der Forscher. Was im jungen Organismus noch die Immunabwehr beschleunigt hat, wird im Alter zur Belastung und fordert seinen Tribut. Luka Cicin-Sain denkt noch ein Stück weiter und resümiert: „Unsere Ergebnisse machen deutlich, wie wichtig eine Impfung gegen das Cytomegalie-Virus wäre, auch wenn es nur wenige Menschen direkt krank macht.“