Think Pink! Erfolg von rosa Bakterien in den Weltmeeren
Effiziente Überlebensstrategien durch plasmid-vermittelten Gentransfer
Leibniz-Institut DSMZ
Seit 2010 arbeiten Wissenschaftler des Leibniz-Instituts DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH gemeinsam mit marinen Mikrobiologen, Ökologen, Biochemikern, Genetikern und Informatikern im Transregio 51 Roseobacter Sonderforschungsbereich. Ziel des Forschungsverbundes ist es, die evolutiven, genetischen und physiologischen Prinzipien zu verstehen, welche für den Erfolg dieser noch recht unerforschten Bakteriengruppe verantwortlich sind. Welches besondere genetische Rüstzeug haben diese Bakterien, um sich an die verschiedensten Lebensräume anzupassen?
Einem wichtigem Anhaltspunkt dazu kamen jetzt DSMZ-Forscher im Team um PD Dr. Jörn Petersen und Dr. Silke Pradella auf die Spur. Die Wissenschaftler untersuchen die Evolution und Bedeutung von sogenannten „Plasmiden“ innerhalb der Roseobacter-Gruppe, die dort in großer Anzahl und Vielfalt vorkommen.
„Plasmide sind meist ringförmige DNA-Moleküle mit einer Größe bis zu 1 Million Basenpaaren, die sich unabhängig vom Bakterienchromosom vervielfältigen. Natürliche Plasmide werden für so nützliche Eigenschaften wie die Stickstofffixierung genutzt. Sie sind aber auch für die Entstehung multiresistenter Krankenhauskeime verantwortlich", erklärt der Genetiker und Evolutionsbiologe Dr. Jörn Petersen.
„Lange Zeit ging man davon aus, dass sich alle wichtigen genetischen Informationen im Bakterium auf dem Chromosom befinden“, so Jörn Petersen weiter. Für Vertreter der Roseobacter-Gruppe konnte Team-Kollegin Dr. Silke Pradella diese These allerdings bereits in einem früheren Experiment widerlegen. Sie wies nach, dass die zentralen Gene für die Photosynthese bei Roseobacter litoralis und Sulfitobacter guttiformis auf Plasmiden liegen. Mit den jüngsten Arbeiten konnte die Arbeitsgruppe sogar zeigen, dass das komplette Photosynthese-Gencluster mit mehr als 40 Genen vom Chromosom auf ein Plasmid übertragen wurde.
Was ist der Grund für die ungewöhnliche genetische Organisation? „Unsere Erklärung dafür ist, dass die Roseobacter-Gruppe ihre Plasmide als „mobile Container genetischer Informationen“ nutzt, um bei Bedarf wichtige Stoffwechselfunktionen schnell untereinander und sogar über die Artgrenze hinaus auszutauschen“, erklärt Dr. Petersen. „Den Zugang zum gemeinschaftlichen Genpool kann man als eine Art Nachbarschaftshilfe unter diesen marinen Bakterien verstehen. Durch den Transfer der Photosynthesegene werden die Bakterien nicht nur rosa, sondern erwerben auch einen besonderen Überlebensvorteil, indem sie nun zusätzliche Energie aus Sonnenlicht gewinnen können. Ein genetischer Austausch mittels Plasmiden als Vehikel würde auch schlüssig erklären, warum die Photosynthesefähigkeit innerhalb der Roseobacter-Gruppe nur sporadisch und ohne erkennbares Muster verbreitet ist.“
Das an der DSMZ etablierte Methodenspektrum und die neuen Erkenntnisse zur Plasmidbiologie liefern die Grundlage für ein neues systembiologisches Verbundprojekt im Rahmen des Roseobacter Sonderforschungsbereiches. Ziel ist es, die physiologische Bedeutung der Plasmide im Modellorganismus Phaeobacter gallaeciensis DSM 17395 aufzuklären. Dazu sollen die in der Arbeitsgruppe erzeugten Plasmid-Knock-Out-Mutanten mit dem Phaeobacter-Wildtyp mit Hilfe der kompletten OMICS-Pipeline (Genom, Trankriptom, Proteom, Metabolom, Fluxom) analysiert und verglichen werden.