Wie metastasierende Krebszellen in Organe eindringen

13.07.2012 - Schweiz

Nicht Primärtumore, sondern deren Metastasen sind für die Mehrzahl der Krebstoten verantwortlich. Physiologen und Neuropathologen der Universität Zürich identifizieren jetzt den Anfang der Metastasenbildung. Sie können als Erste den Weg von metastasierenden Darmkrebszellen aus den Blutbahnen nachweisen. Die Erkenntnisse erlauben neue Ansätze bei der Entwicklung von Krebstherapien. 

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Eine Tumorzelle (blaugrün) lässt sich mit Hilfe des CCR2-Rezeptors durch ein Blutkapillargefäss in der Alveole (violett) schleusen. Der vorgestülpte Teil der Tumorzelle ist gerade dabei die Endothelzelle zu durchwandern. (Elektronenmikroskopische Aufnahme)

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Eine Tumorzelle haftet sich an das Endothel (rot) an. Dieses ist durch das auf dem CCR2-Rezeptor emfpangene Chemokin CCL aktiviert und durchlässig geworden. Das Ausschleusen der Tumorzelle wird durch die Rekrutierung von Monzyten (blau) erleichtert. (Bearbeitung mehrerer konfokaler Aufnahmen, um eine künstliche Oberfläche zu bilden.)

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Weltweit sterben jedes Jahr über sieben Millionen Menschen an Krebs. Dank wirksameren Therapien und besserer Früherkennung sind in den Industrienationen die Primärtumore nur noch für zehn Prozent der Krebstoten verantwortlich. Die überwiegende Mehrheit stirbt heute an den Folgen von Metastasen, d.h. Tochtergeschwulsten. Diese entstehen aus Absiedlungen des Primärtumors, indem sie sich über die Blutbahnen des Kranken verbreiten. Bis heute war der eigentliche Grund für die Metastasierung in bestimmten Organen unbekannt. Unklar war, wie die Tochterzellen aus den Blutbahnen in das Gewebe von anderen Organen eindringen können.

Jetzt identifiziert ein europäisches Team unter der Leitung von Physiologen und Neuropathologen der Universität Zürich den Mechanismus, mit dessen Hilfe sich metastasierende Darmkrebszellen von den Blutgefässen in die Organe einschleusen. Das Team von Lubor Borsig und Mathias Heikenwälder weist nach, dass Krebszellen spezifische Pförtnerrezeptoren auf dem Endothel der Blutgefässe manipulieren.

Tumorzellen manipulieren Blutgefäss-Pförtner

Für das Immunsystem spielen Chemokine, interzelluläre Botenstoffe, eine zentrale Rolle. Chemokine können zur Immunabwehr weisse Blutkörperchen direkt herbeirufen. Auch Tumorzellen sind in der Lage, Chemokine zu bilden und körpereigene Monozyten, spezielle Immunzellen, aufzubieten. So sind erhöhte Werte des tumoreigenen Chemokins CCL2 charakteristisch für metastasierende Brust-, Prostata- und Darmkarzinome. Hohe CCL2-Werte wurden bislang v.a. als Hinweis auf ein starkes Tumorwachstum und eine schlechte Krankheitsprognose verstanden. Lubor Borsig und Mathias Heikenwälder zeigen anhand von In-vivo- und In-vitro-Experimenten an Labormäusen, dass CCL2 weit mehr ist als ein Indikator für die Aggressivität des Krebs. «CCL2 aktiviert einen Pförtnerrezeptor auf dem Endothel der Blutgefässe und ermöglicht es so der Darmkrebszelle, aus der Blutbahn zu gelangen und in anderen Organen zu metastasieren», erläutert Borsig. Die Aufgabe des auf dem Endothel erstmals nachgewiesenen und als CCR2 bezeichneten Pförtners im gesunden Organismus ist nicht bekannt. Borsig vermutet, dass der Pförtner bei der Immunreaktion des Körpers die Durchlässigkeit der Blutgefässe moduliert.

Neuer Ansatz für Medikamentenentwicklung

«Der entdeckte Mechanismus wird einen völlig neuen Ansatz liefern für die Entwicklung von Medikamenten zur Bekämpfung von Metastasen bei Brust-, Prostata- und Darmkrebs», ist Borsig überzeugt. Denkbar ist, die Chemokin-Expression des Tumors zu unterdrücken oder den Pförtner für das Tumor-Chemokin zu blockieren, so dass keine Krebszellen mehr aus der Blutbahn in das gesunde Gewebe gelangen. «Wenn es gelingt, die Krebszellen am Verlassen der Blutbahnen zu hindern, kann die Metastasierung direkt am Ursprung bekämpft werden», schliesst Borsig.

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