Nährstoff und Gift zugleich – auf die Dosis kommt es an

RUB-Biologen entschlüsseln Funktion des Metallbindemoleküls Nicotianamin

10.04.2012 - Deutschland

Um zu überleben dürfen Pflanzen weder zu viel noch zu wenig Mineralien aus dem Boden aufnehmen. Neue Erkenntnisse, wie sie dieses kritische Gleichgewicht regulieren, veröffentlichten Biologen der Ruhr-Universität in einer Serie von drei Publikationen in der Zeitschrift The Plant Cell. Die Forscher entdeckten spezielle Funktionen des Metallbindemoleküls Nicotianamin. „Die Ergebnisse sind wichtig für die nachhaltige Landwirtschaft und auch für den Menschen – um gesundheitliche Probleme zu verhindern, die durch einen Mangel an lebenswichtigen Nährstoffen in der Nahrung verursacht werden“, sagt Prof. Dr. Ute Krämer vom RUB-Lehrstuhl für Pflanzenphysiologie.

© Ute Krämer (RUB) und Josef Bergstein (MPI Golm)

Kupfermangel: Arabidopsis thaliana gedeiht auf kupferreichem Nährmedium deutlich besser und entwickelt eine andere Pflanzenarchitektur (links) als nach drei Wochen Kupfermangel (rechts).

Pflanzen: Am Anfang der Nahrungskette

Alle Organismen benötigen Eisen, Zink und Kupfer als Nährstoffe. Sie sind in der Zelle an lebenswichtigen katalytischen Funktionen beteiligt. Da Pflanzen am Beginn der Nahrungskette stehen, ist ein ausreichender Gehalt dieser Mineralien in ihnen für die menschliche Ernährung entscheidend. Die Metalle sind sich chemisch sehr ähnlich, so dass es für Organismen schwierig ist, zwischen ihnen zu unterscheiden.

Wie die Zelle die Konkurrenten Zink und Eisen auseinanderhält

Das metallbindende Molekül Nicotianamin ist wichtig für den Eisentransport in Pflanzen. In ihrer Zeit an den Universitäten in Heidelberg und Bochum zeigte Krämer, dass es auch den Zinkhauhalt steuert. „Zu viel Zink kann eisenabhängige Prozesse vergiften und umgekehrt“, erklärt die Biologin. Wie viel Zink in der Zellflüssigkeit verfügbar ist, hängt davon ab, wo in der Zelle sich das Nicotianamin aufhält. Bei hohen Zinkkonzentrationen verlagert das Transportprotein ZIF1 das metallbindende Molekül von der Zellflüssigkeit in die Vakuole – einen abgetrennten Bereich der Zelle, der unter anderem Stoffe speichert. Dadurch werden auch die Zinkionen in die Vakuole befördert und so aus den Transportwegen der Pflanze entfernt. Nun macht Zink dem Eisen weniger Konkurrenz, so dass Eisen besser in der Zelle verfügbar ist.

Von der Wurzel in die Blätter: Nicotianamin entscheidend für den Zinktransport

Genetisch bedingt enthalten Pflanzen je nach Lebensraum ganz unterschiedliche Mengen an Mineralien. Die in Deutschland heimische Arabidopsis halleri sammelt in ihren Blättern zum Beispiel 100 mal mehr Zink an als viele andere Pflanzen. In Kooperation mit Kollegen der Universität Bayreuth zeigte Krämers Team warum: Arabidopsis stellt große Mengen Nicotianamin her. Schalteten die Forscher die Synthese dieses Moleküls über genetische Manipulation ab, transportierten die Pflanzen auch weniger Zink von der Wurzel in die Blätter. Nicotianamin ist also entscheidend für die hohe Zinkkonzentration. „In Entwicklungsländern ist Zinkmangel einer der größten ernährungsbedingten Risikofaktoren für Gesundheitsprobleme“, erklärt Krämer. „Unsere Daten geben wichtige Hinweise, wie man Erntepflanzen mit erhöhten Zinkgehalt züchten kann.“

Wie Kupfer in die Pflanzenzelle gelangt

Gemeinsam mit amerikanischen Kollegen erforschten die Bochumer Biologen auch, wie pflanzliche Zellen Kupfer aufnehmen. Sie setzten dazu das so genannte „next-generation sequencing“ ein. Mit dieser Methode werden gleichzeitig alle Boten-RNAs einer Zelle entschlüsselt. Dadurch erhält man ein vollständiges Bild davon, welche Proteine die Zelle in welcher Menge herstellen soll. Aus diesen Daten identifizierte Krämers Team wesentliche neue, an der Kupferaufnahme beteiligte Moleküle. Die Wissenschaftler wiesen nach, dass die Kupferionen zunächst von der zweifach positiv in die einfach positiv geladene Form überführt werden, was für die Aufnahme in die Pflanze essenziell ist. Verantwortlich dafür sind zwei spezifische Enzyme, Kupferreduktasen genannt. „Unabhängig davon haben wir auch herausgefunden, dass Kupfermangel in Pflanzen einen sekundären Eisenmangel auslöst, ähnlich wie beim Menschen.“

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