Tuberkulose-Impfstoff wird in Phase-II-Studie getestet
Neuer Impfstoff soll künftig besser vor Tuberkulose-Infektionen schützen
Über 90 Jahre ist der einzige derzeit verfügbare Tuberkulose-Impfstoff nun schon alt – und seine Wirksamkeit ist unbefriedigend. Der Impfstoff schützt zwar Kleinkinder vor dem Ausbruch einer Tuberkulose. Er verliert dann aber rasch seine Wirkung und kann Jugendliche und Erwachsene nicht schützen. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin haben einen verbesserten Impfstoff entwickelt, der seit 2008 in klinischen Studien am Menschen getestet wird. Seit kurzem wird die Sicherheit und Verträglichkeit des Impfstoff-Kandidaten in Südafrika in einer Phase-II-Studie an Neugeborenen getestet. Die Ergebnisse der vorangegangenen Phase-I-Studie haben bereits gezeigt, dass der Impfstoff-Kandidat den Sicherheitsanforderungen genügt und sein Wirkprinzip greift.
Seit fast 90 Jahren arbeiten Wissenschaftler an einem verbesserten Impfstoff gegen das Tuberkulose-Bakterium Mycobacterium tuberculosis. Der Bacille Calmette-Guérin-Impfstoff (BCG) wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt und enthält abgeschwächte Mycobacterium bovis-Bakterien, die Erreger der auch auf den Menschen übertragbaren Rinder-Tuberkulose. Eine Impfung mit BCG schützt Kinder in den meisten Fällen vor der Krankheit, nicht dagegen Erwachsene. Der Impfstoff hat deshalb nicht dazu beigetragen, das Auftreten der Tuberkulose weltweit zu verringern.
Der am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie entwickelte Impfstoff VPM1002 basiert auf dem BCG-Impfstoff und enthält genetisch veränderte Mycobacterium bovis-Bakterien. Mit Hilfe eines eingebauten Gens können sie von den Zellen des Immunsystems besser erkannt werden. Der Organismus ist so gegen eine tatsächliche Erkrankung mit gefährlichen Tuberkulose-Erregern geschützt. „VPM1002 soll den momentanen Impfstoff BCG ersetzen und in Kleinkindern eingesetzt werden, um diese gegen Tuberkulose zu schützen. Aber auch Erwachsene könnten später davon profitieren“, sagt Stefan Kaufmann vom Berliner Max-Planck-Institut.
Seit November 2011 befindet sich der Impfstoff-Kandidat in einer Phase-II-Studie. Sie soll klären, ob er für Neugeborene in Regionen mit hoher Tuberkulose-Verbreitung sicher und verträglich ist. Dafür werden insgesamt 48 Neugeborene immunisiert. Bislang traten keine Nebenwirkungen auf.
VPM1002 wurde an die Vakzine Projekt Management GmbH Hannover lizenziert, die eine komplette präklinische Entwicklung durchgeführt hat. Im Herbst 2008 wurde der Impfstoff unter dem Namen VPM1002 zunächst an freiwilligen gesunden Probanden in Deutschland klinisch getestet. In einer Phase-I-Studie wird das Sicherheitsprofil eines Wirkstoffes überprüft. Diese Hürde hat der Impfstoff mit Bravour bestanden. Nebenwirkungen sind im Rahmen dieser Studie nicht aufgetreten. Als nächstes mussten die Forscher sicherstellen, dass VPM1002 auch bei Menschen in Regionen mit hoher Tuberkulose-Verbreitung sicher ist und wie geplant wirkt. „Die Phase Ib-Studie zeigt, dass VPM1002 auch diese Anforderung erfüllt“, sagt Bernd Eisele von der Vakzine Projekt Management, die die Impfstudien verantwortlich durchführt.
Bevor VPM1002 als Impfstoff auf den Markt kommen kann, muss sich seine Wirksamkeit und Sicherheit in weiteren Studien an Freiwilligen in Gebieten mit hohem Tuberkulose-Risiko bestätigen. „Wenn alles gut geht und VPM1002 auch in großen international angelegten Studien wirksam und sicher ist, könnte der neue Impfstoff in rund vier Jahren einsatzbereit sein“, hofft Stefan Kaufmann.
Neben VPM1002 sind zurzeit elf weitere Impfstoff-Kandidaten in der klinischen Entwicklung. Er ist der einzige von drei genetisch veränderten Varianten des momentanen Impfstoffs BCG, der in der klinischen Überprüfung weitergeführt wird. Zwei weitere Kandidaten, die auf einem Virusträger mit Antigenen von Mycobacterium tuberculosis beruhen, befinden sich derzeit in Phase IIb. Der erste dieser Wirkstoffe könnte frühestens 2016 zum Einsatz kommen.
Experten schätzen, dass ein gegenüber BCG verbesserter Impfstoff fast acht Millionen Todesfälle verhindern kann. Ein neuer Verstärker-Impfstoff könnte die Zahl der Tuberkulose-Opfer um weitere 40 Prozent verringern.