Genetik der Lebenserwartung

Kreuzungsexperimente mit kurzlebigem Fisch liefern wichtige Hinweise

31.01.2012 - Deutschland

Lebewesen können unterschiedlich alt werden; die Lebenserwartung wird dabei in hohem Maße durch ihre Gene bestimmt. Doch welche Gene sind das genau? Forscher des Leibniz-Instituts für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena haben im Genom eines sehr kurzlebigen Fisches erstmals Bereiche ausfindig gemacht, wo die Information für die Lebensdauer verschlüsselt ist. Kreuzungsexperimente kurzlebiger und langlebigerer Stämme des in Afrika beheimateten Nothobranchius furzeri – neuer Modellorganismus in der Altersforschung - lieferten dazu wichtige Hinweise.

Grafik: K. Wagner / FLI; Foto: K. Reichwald / FLI

Kreuzungsexperimente kurz- und langlebiger Stämme von Nothobranchius furzeri (Türkiser Prachtgrundkärpfling) – einem Fisch aus Ostafrika, der sich mit seiner Lebensdauer an die unterschiedlich langen Regenzeiten angepasst hat. Kurzlebige Fische kommen aus Simbabwe; langlebigere Fische aus Mosambik. Selbst bei optimalen Bedingungen im Laboraquarium – bei ausreichend Wasser und bestem Futter - ändert sich die Lebensspanne der Fische nicht.

Die Lebensspanne eines jeden Lebewesens wird durch genetische und umweltbedingte Faktoren bestimmt und variiert von Art zu Art sehr stark. Galapagos-Riesenschildkröten können zum Beispiel mehr als 200 Jahre alt werden; auch der Mensch mit einer Lebenserwartung von etwa 80 Jahren ist als langlebig anzusehen. Demgegenüber sind der Fadenwurm mit einem Durchschnittsalter von wenigen Wochen oder die Fruchtfliege mit ca. 45 Tagen ausgesprochen kurzlebig.

Ebenfalls eine extrem kurze Lebensspanne zeigt der aus Ostafrika stammende Fisch Nothobranchius furzeri (Türkiser Prachtgrundkärpfling), der als neuer Modellorganismus für die Erforschung des Alterns am Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena genutzt wird. Die Lebensdauer von N. furzeri ist perfekt an das afrikanische Habitat angepasst und variiert zwischen 3 (kurzlebige Populationen, Regenzeit ca. 3 Monate) und 8 Monaten (langlebigere Populationen, Regenzeit mindestens 8 Monate). Selbst unter optimalen Bedingungen im Laboraquarium, also bei ständiger Verfügbarkeit von Wasser und bester Fütterung, lebt der Fisch ähnlich kurz wie in Afrika. Die Information über die extrem kurze Lebensdauer muss also irgendwo im Genom gespeichert sein.

Auf der Suche nach Bereichen im Genom, die Informationen für die Lebenserwartung von Organismen tragen, sind die Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Altersforschung nun erstmals einen großen Schritt vorangekommen. Die Jenaer führten Kreuzungsexperimente mit dem Fisch N. furzeri durch und zeichneten die Lebensspanne der Nachkommen (Tochtergenerationen: F1 und F2) auf. In Zusammenarbeit mit Prof. Andre Franke von der Christian-Albrechts-Universität in Kiel bestimmten sie anschließend in deren Genom eine Vielzahl genetischer Marker. Kollegen der Humboldt-Universität zu Berlin um Prof. Gudrun A. Brockmann halfen bei der Analyse der Daten.

„Bei unseren Kreuzungsexperimenten verpaarten wir kurzlebige mit langlebigeren Laborstämmen“, berichtet Dr. Jeanette Kirschner, die die Untersuchungen während ihrer Doktorarbeit in der AG Genomanalyse durchführte. „Die mittlere Lebensspanne der kurzlebigen Fische betrug 11 Wochen und die der langlebigeren Fische etwa 30 Wochen“. Die Nachkommen in der ersten Generation (F1) wiesen im Vergleich zu den Eltern eine mittlere Lebensspanne von etwa 22 Wochen auf. „Für uns ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Lebenserwartung genetisch festgelegt ist und dabei nicht nur ein Gen eine Rolle spielt“, unterstreicht Dr. Matthias Platzer, Leiter der AG Genomanalyse am FLI.

Im nächsten Schritt wurden die F1-Geschwister untereinander verpaart. Die umfassende Analyse der DNA der F2-Kreuzungstiere ergab, dass bestimmte genetische Marker bei kurzlebigen Fischen häufiger als bei langlebigeren Fischen auftraten und umgekehrt. „Durch die systematische, genomweite Analyse dieser Marker konnten wir auf vier verschiedenen Chromosomen des N. furzeri Bereiche identifizieren, in denen sich mit großer Wahrscheinlichkeit genetische Determinanten für die Lebenserwartung befinden“, sind sich die Forscher vom FLI sicher. „Der Fisch Nothobranchius furzeri ist - neben der Maus - damit das einzige Wirbeltier, in dem bisher durch Kreuzung die Identifizierung solcher Regionen, die für das Lebensalter entscheidend sind, gelungen ist.“

Die identifizierten Genombereiche sind allerdings recht groß. „Sie beinhalten hunderte Gene, so dass die Identifizierung der ursächlichen Faktoren nun eine neue große Herausforderung darstellt", merkt Dr. Kathrin Reichwald, Projektleiterin am FLI, an. „Mit unseren Kreuzungsexperimenten konnten wir jedoch zeigen, dass etwa zehn Faktoren für die Lebenserwartung von N. furzeri eine Rolle spielen“, so Reichwald weiter. Um diesen auf die Spur zu kommen, werden derzeit in den gefundenen Regionen alle Gene systematisch untersucht und auch Vergleiche mit nahe verwandten Fischarten durchgeführt. Damit konnte die Größe der bedeutsamen Bereiche bereits um etwa 40 Prozent reduziert werden.

"Außerdem arbeiten wir intensiv an der Sequenzierung des Genoms von N. furzeri; eine wesentliche Voraussetzung für die systematische Suche nach genetischen Determinanten für die Lebensspanne", erklärt Dr. Matthias Platzer. „Denn der Genom-Vergleich von kurz- und langlebigeren Prachtgrundkärpflingen kann Aufschluss über kleinste Unterschiede in der DNA-Sequenz und ihrer Bedeutung für die Lebenserwartung und Alternsprozesse geben“. Parallel dazu werden die Kreuzungsexperimente bereits mit anderen N. furzeri Eltern-Tieren wiederholt, um die aktuellen Befunde zu bestätigen und relevante genomische Bereiche weiter einzuengen. Gelingt es, die zugrundeliegenden Gene zu identifizieren, kann man durch deren gezielte Veränderung ihren Einfluss auf die Lebensspanne genauer untersuchen. Da sowohl Fisch als auch Mensch zu den Wirbeltieren gehören, gehen die Forscher davon aus, dass für die meisten in N. furzeri gefundenen Gene auch ein menschliches Pendant identifiziert werden kann. Ob diese Gene dann auch eine Rolle bei der Lebenserwartung des Menschen spielen und ob sie in Regionen menschlicher Chromosomen liegen, die bereits mit Langlebigkeit in Verbindung gebracht wurden? - Wir werden es sehen.

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