Roter Naturfarbstoff macht giftige Ablagerungen bei Alzheimer unschädlich
Proteinfehlfaltung gilt als Ursache der Alzheimer Krankheit, der Parkinsonschen Krankheit und auch von Chorea Huntington. In einem mehrstufigen Prozess falten sich körpereigene Proteine in eine unnatürliche Form und bilden über verschiedene Vorstufen große Ablagerungen (Plaques). Die Forscher gehen davon aus, dass die Vorstufen dieser fehlgefalteten Eiweißablagerungen für die Nervenzellen giftig sind und deren Untergang verursachen.
Farbstoff von den Kanaren seit Jahrhunderten genutzt
Der Farbstoff Orcein stammt aus Flechten, die unter anderem auf den Kanarischen Inseln vorkommen, und die seit Jahrhunderten für die Färbung von Stoffen und Lebensmitteln genutzt werden. Auf die Spur dieses Farbstoffs kam Prof. Wanker, als er vor rund acht Jahren hunderte von Naturstoffen durchforstete, um zu sehen, ob es darunter potentielle Wirkstoffe für die Behandlung von Nervenerkrankungen gibt. Da Orcein aus etwa 14 kleinen Molekülen besteht, die möglicherweise unterschiedliche biologische Wirkungen haben, suchten er und seine Mitarbeiter nach einem reinen Stoff und stießen dabei auf den blauen Farbstoff O4, der einem der 14 Moleküle des Orceins strukturell sehr ähnlich ist.
„Neuer Wirkmechanismus“
Vor einigen Jahren hatten Prof. Wanker und seine Mitarbeiter entdeckt, dass die Substanz EGCG (Epigallocatechin-3-gallate) in grünem Tee die giftigen Eiweißablagerungen in nichttoxische Ablagerungen umwandelt. Am Beispiel von Orcein und O4 zeigen die Forscher einen weiteren Mechanismus zur Entgiftung von Eiweißablagerungen. Diese Farbstoffe verringern die Bildung der gefährlichen Vorstufen indem sie die Ablagerung großer Plaques beschleunigen, wie die Forscher in Berlin jetzt im Reagenzglas und in Zellkulturen zeigen konnten.
„Das ist ein neuer Wirkmechanismus“, erklärt Prof. Wanker. „Bisher galt es als sehr schwer, die Bildung der gefährlichen Vorstufen zu stoppen. Wenn unsere Theorie stimmt, wonach die Vorstufen der Eiweißplaques für die Nervenzellen tödlich sind, so hätten wir mit O4 einen neuen Mechanismus, um dort anzugreifen.“ Der künstliche Farbstoff Methylenblau, der sich derzeit in klinischer Erprobung befindet, scheint in ähnlicher Weise die Bildung großer Ablagerungen zu verstärken. Andere Therapiestrategien, die auf die Beseitigung der Eiweißplaques zielen, hatten in klinischen Studien bislang zu keiner eindeutigen Verbesserung des Krankheitsverlaufs von Alzheimer-Patienten geführt.
Noch ist unklar, ob der Farbstoff O4 auch bei kleinen Mengen fehlgefalteter Proteine wirkt, wie sie sich im Hirn von Alzheimer-Patienten finden, und ob die verstärkte Bildung großer Ablagerungen tatsächlich die Krankheitssymptome beim Menschen verringern kann. Weitere Studien müssen klären, ob die Beschleunigung der Plaquebildung als therapeutischer Ansatz in Frage kommt. „Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse die Forschungsaktivität in diese Richtung besonders in der Wirkstoffforschung stimulieren“, so Prof. Wanker.