Optogenetik – mit molekularem Lichtschalter gegen Netzhauterkrankungen

Max-Planck-Gesellschaft und Sanofi arbeiten künftig bei der Erforschung von Netzhauterkrankungen zusammen

19.09.2011 - Deutschland

Max-Planck-Innovation, die Technologietransfer-Organisation der Max-Planck-Gesellschaft, und Fovea Pharmaceuticals, ein Tochterunternehmen des Pharmaunternehmens Sanofi, haben eine Lizenzvereinbarung für die Anwendung von Channelrhodopsinen unterschrieben, die im Erfolgsfall nahezu oder völlig blinden Patienten ihre Sehkraft wiederverleihen soll. Die Pigmentproteine wurden in den Jahren 2002/2003 von Ernst Bamberg vom Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt und Kollegen entdeckt. Wissenschaftler können mit den lichtgesteuerten Ionenkanälen Nervenzellen mit Licht an- und abschalten. Nun sollen die Kanäle so weiter entwickelt werden, dass sich damit Nervenzellen der Netzhaut im menschlichen Auge in Lichtsinneszellen verwandeln lassen, mit denen Patienten, deren Sinneszellen zerstört sind, wieder optische Reize wahrnehmen können.

© MPI für Biophysik

Links: Schematische Darstellung der Funktion von Channelrhodopsin-2 (blau) und Halorhodopsin (gelb) in Nervenzellen. Rechts: Auslösen von Aktionspotenzialen durch Channelrhodopsin-2 (blaues Licht) und deren Hemmung durch Halorhodopsin (gelbes Licht) in kultivierten Hippokampus-Zellen.

Während der für drei Jahre vereinbarten Zusammenarbeit werden Ernst Bamberg und sein Team am Frankfurter Max-Planck-Institut für Biophysik mit der Forschungsabteilung von Fovea Pharmaceuticals eng zusammen arbeiten. Sanofi wird die Forschung der Max-Planck-Wissenschaftler in diesen drei Jahren finanziell mit 450.000 Euro unterstützen. Darüber hinaus wird Max-Planck-Innovation an möglichen künftigen Erträgen beteiligt. Die Max-Planck-Gesellschaft erhält über ihre Tochter Max-Planck-Innovation, die für die Kommerzialisierung der Max-Planck-Patente verantwortlich ist, Einstands- sowie Meilensteinzahlungen in Höhe von bis zu 26,4 Millionen Euro im Rahmen der vergebenen Lizenz. Sanofi wiederum erhält die weltweiten Exklusivrechte und sichert sich weltweite Rechte an den Ergebnissen der Zusammenarbeit. Der Kern der Kooperation besteht darin, dass Channelrhodopsine so weiter entwickelt werden, dass sie mit einem gentherapeutischen Ansatz bei Erkrankungen der Netzhaut eingesetzt werden können. Dazu gehören beispielsweise Erbkrankheiten wie Retinitis pigmentosa, Netzhautdystrophien sowie Glaukome, altersbedingte Makuladegeneration und diabetische Retinopathie.

Channelrhodopsine sind lichtgesteuerte Kanalproteine in der Zellmembran der einzelligen Grünalge Chlamydomonas reinhardtii. Sie ermöglichen es der Alge, Helligkeit wahrzunehmen und sich zum Licht hin oder davon weg zu bewegen. Die Einzigartigkeit der Channelrhodopsine besteht darin, dass sie bei Belichtung durchlässig für positiv geladene Ionen werden, wodurch an der Zellmembran ein elektrisches Signal ausgelöst wird. Diese Eigenschaften werden weltweit in den Neurowissenschaften genutzt. Wissenschaftler können Channelrhodopsine heute auf molekulargenetischem Weg in Zellen einschleusen und so einzelne elektrisch erregbare Nervenzellen oder Nervennetzwerke in Kultur und im lebenden Tier mit Licht an- und ausschalten. Aus der Entdeckung und Anwendung der Channelrhodopsine ist das sich schnell entwickelnde Gebiet der Optogenetik entstanden.

„Die Geschichte der Entdeckung der lichtaktivierten Ionenkanäle ist ein Beispiel dafür, wie aus erkenntnisgetriebener Grundlagenforschung neue Techniken bis hin zu neuen Behandlungsmethoden für den Menschen entstehen können“, sagt Egenhard Link von Max-Planck-Innovation. Die Ionenkanäle eröffnen eine Fülle von Anwendungsmöglichkeiten. "Die Optogenetik revolutioniert momentan die neuro- und zellbiologische Forschung", ergänzt Ernst Bamberg. "Denn jetzt können wir erstmals ohne Elektroden und ohne jedwede chemische Modifizierung die Aktivität von Nervenzellen störungsfrei und mit bisher nicht erreichter hoher Ortsauflösung einfach durch Licht steuern."

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