Drei Monate nach EHEC - erste Ergebnisse des neuen HUS-Behandlungskonzeptes veröffentlicht

09.09.2011 - Deutschland

Auf dem Höhepunkt der EHEC-Krise Anfang Juni haben Wissenschaftler aus Greifswald und Hannover mit einem neuen Therapieansatz einen Fortschritt bei der Behandlung der schweren HUS-Infektion erzielt. Die Greifswalder Ärzte haben damals vermutet, dass immunologische Abwehrreaktionen und die damit verbundene Bildung von Antikörpern für die schweren Verläufe mit verantwortlich sein könnten. Die Medizinische Hochschule Hannover hat das Behandlungskonzept übernommen und erfolgreich eingesetzt.

Die britische Fachzeitschrift THE LANCET veröffentlichte erstmals die wissenschaftliche Analyse der ersten Therapiestudie bei schweren neurologischen Komplikationen des Hämolytisch Urämischen Syndroms (HUS). „Die Kooperation mit der Medizinische Hochschule Hannover in einer Phase, als es den Patienten wirklich sehr schlecht ging und wir alle extrem unter Druck standen, war einzigartig in der damaligen Ausnahmesituation“, betont der Greifswalder Transfusionsmediziner und Gerinnungsexperte Prof. Dr. Andreas Greinacher.

Vor allem Norddeutschland war von Mai bis Juli 2011 dieses Jahres durch eine Häufung von Erkrankungen mit hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) schwer betroffen, verursacht durch ein Bakterium, dem so genannten enterohämorrhagischen Escherichia coli (EHEC) des Serotyps O104. Etwa die Hälfte der HUS-Patienten litt an neurologischen Symptomen, die von Erinnerungslücken und Wortfindungsstörungen bis zu anhaltenden Krampfanfällen reichten. Professor Andreas Greinacher von der Universitätsmedizin Greifswald vermutete zu diesem Zeitpunkt aufgrund des klinischen Verlaufs und des zeitlich versetzten Auftretens der Symptome, dass Antikörper die Ursache für die Komplikationen sind.

Vor diesem Hintergrund behandelten die Ärzte der Universitätsmedizin Greifswald und der Medizinischen Hochschule Hannover gemeinsam zwölf Patienten im Alter von 38 bis 63 Jahren mit schwersten neurologischen Ausfällen mit einer Blutwäsche (Immunadsorption), bei der die Antikörper gezielt herausgefiltert werden. Alle Patienten haben die Erkrankung überlebt, zehn zeigten keine neurologischen Symptome mehr und alle Patienten sind trotz Nierenversagen nicht mehr auf eine Dialyse angewiesen. Die behandelnden Ärzteteams in Hannover und Greifswald bewerteten täglich die neurologischen Ausfälle wie Halluzinationen, Sprachstörungen und Krampfanfälle und konnten so einen deutlichen Effekt der Therapie mittels Immunadsorption feststellen. „Der Erfolg war unmittelbar spürbar. Vor der Therapie mittels Immunadsorption hatte weder der Plasma-Austausch (Plasmapherese) noch die Gabe eines Antikörpers (Eculizumab) zu einem durchschlagenden therapeutischen Erfolg geführt“, erläutert der hannoversche Nierenspezialist Privatdozent Dr. Jan T. Kielstein. „Die zielgerichtete Entfernung von IgG-Antikörpern aus dem Blut der Patienten mit neurologischen Komplikationen führte zu einer nachweislichen deutlichen Verbesserung.“

Zusätzlich zum HU-Syndrom, das durch den Giftstoff Shigatoxin der EHEC Bakterien verursacht wird und die Niere schädigt, hatten insbesondere die neurologischen Auswirkungen auf das Gehirn wie Bewusstseinsstörungen und Epilepsien zu einer großen Verunsicherung in der Öffentlichkeit und Medizin geführt. Die Antikörper waren entweder gegen das eigene Gewebe des Patienten gerichtet, so genannte Autoantikörper, oder sie sind eine gefährliche Verbindung mit den EHEC-Giften eingegangen, die zu den ernsthaften Gerinnungsproblemen geführt haben. Die Antikörper könnten so die Durchblutung wichtiger Gehirnregionen und der Nebenniere maßgeblich beeinflusst haben. „Obwohl der genaue Mechanismus der Wirkung in den kommenden Monaten noch in weiteren Laboranalysen untersucht werden muss, eröffnen die Erkenntnisse aus dieser gemeinsamen Therapiestudie einen komplett neuen Blickwinkel auf die Krankheitsentstehung“, sagt der Greifswalder Wissenschaftler.

Greinacher und Kielstein hoben hervor, dass es insbesondere die beispielhafte schnelle und enge Zusammenarbeit zwischen den beiden Universitäten und ihren Forschungszentren ermöglicht hat, schwerkranken HUS-Patienten effektiv zu helfen und gleichzeitig eine Erklärung für den ungewöhnlich dramatischen Verlauf der Erkrankung zu finden. Neben den Kliniken hat in Greifswald das Zentrum für Innovationskompetenz für die Erforschung durch Antikörper verursachten Herz-Kreislauf Erkrankungen (ZIK-HIKE) zu diesem Fortschritt beigetragen.

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