Radioaktive Trojaner überlisten Knochenmetastasen

08.08.2011 - Deutschland

Wenn sich Krebs in Knochen absiedelt, verschlechtern sich die Überlebenschancen der Betroffenen meist erheblich. Ein Ärzteteam der Bonner Universitätsklinik für Nuklearmedizin hat nun bei Patienten mit Knochenmetastasen von seltenen Tumoren erfolgreich radioaktive Trojaner eingeschleust. Bei der Hälfte der Erkrankten war eine Rückbildung der Metastasen zu beobachten.

Nur etwa drei bis fünf von 100.000 Menschen erkranken jährlich an der Krebsform „neuroendokriner Tumor“. Die Geschwulste kommen meistens im Magen-Darm-Trakt und in der Bauchspeicheldrüse vor. Da die Tumore häufig Hormone bilden, können sie das Verdauungssystem komplett durcheinander bringen und den Patienten das Leben zur Hölle machen. „Bei manchen dieser Patienten treten zudem Knochenmetastasen auf“, berichtet Dr. Samer Ezziddin, leitender Oberarzt an der Universitätsklinik für Nuklearmedizin. „Dann haben sie eigentlich schlechte Überlebenschancen.“ Die Wissenschaftler der Universitätskliniken Bonn und British Columbia (Kanada) behandelten 42 Patienten, die an seltenen neuroendokrinen Tumoren mit Knochenmetastasen erkrankt sind, mit einer trickreichen Methode.

Tumore sammeln bestimmte Eiweiße ein

Die Ärzte schleusten in die Tumore das radioaktive Isotop Lutetium-177 als Trojaner ein, die die Krebszellen von innen zerstörten. Dabei machten sie sich zunutze, dass die Tumore an ihrer Oberfläche massenhaft Andockstellen aufweisen, mit denen sie bestimmte Eiweiße einsammeln. Diese Eiweiße beluden die Forscher mit dem radioaktiven Lutetium. „Es strahlt nicht weiter als etwa einen Millimeter“, erklärt Dr. Ezziddin. „Deshalb können wir damit gezielt die Tumore zerstören, ohne das Nachbargewebe zu schädigen.“

Mit dieser als Peptidrezeptor-Radionuklid-Therapie (PRRT) bezeichneten Methode haben die Ärzte bereits zuvor Patienten mit neuroendokrinen Tumoren erfolgreich behandelt. „Für die effektive Therapie von Knochenmetastasen gab es bisher mit dieser Methode noch keinen Nachweis“, sagt Professor Dr. Hans-Jürgen Biersack, Direktor der Nuklearmedizin des Universitätsklinikums Bonn. „Die Ergebnisse aber sind spektakulär.“

Bei etwa der Hälfte der Patienten bildeten sich die Knochenmetastasen zurück, bei einem weiteren Drittel blieben sie stabil. Bei zwei Behandelten verschwanden die Absiedlungen sogar komplett. „Wir konnten einen durchschnittlichen Wachstums-Stop von 35 Monaten beobachten“, führt Dr. Ezziddin aus. „Verglichen mit den Daten diverser medikamentöser Studien ist dies ein beachtliches Resultat.“ Außerdem deuten die Ergebnisse der PRRT-Therapie auf ein verlängertes Überleben dieser Patienten hin. „Während andere Chemotherapien die Ausbreitung der Metastasen im Schnitt bis zu einem Jahr bremsen, gelang dies mit den radioaktiven Trojanern mindestens drei Mal so lange - und das selbst bei Knochenmetastasen“, berichtet der Oberarzt.

Wissenschaftler stellen die Lutetium-Präparate selbst her

Die Therapiemethode wird inzwischen zunehmend angewendet, obwohl die Lutetium-Präparate noch nicht auf dem Markt sind. „Die Handhabung des radioaktiven Materials und die Zubereitung des Therapiepräparates erfordern eine entsprechende Logistik mit eigenem Radioisotopenlabor“, sagt Prof. Biersack. „Patienten mit Knochenmetastasen können die berechtigte Hoffnung haben, dass ihnen mit der PRRT effektiv geholfen werden kann.“ Als Nebenwirkungen träten am ersten Behandlungstag etwa vermehrter Stuhlgang oder eine leichte Übelkeit auf. Außerdem könne es während der Verabreichung des Lutetiums zu einer geringen Abgeschlagenheit kommen. „Viele Patienten merken jedoch nichts oder kaum etwas von der Therapie“, berichten die Bonner Nuklearmediziner Ezziddin und Biersack.

Außerdem reduzierten sich bei den Behandelten die durch die Knochenmetastasen ausgelösten Schmerzen. „Mehr als die Hälfte war sogar beschwerdefrei“, sagt Dr. Ezziddin. Auch Patienten mit vielen Tumorabsiedlungen in den Knochen und schwächerer körperlicher Verfassung profitierten noch von der Therapie. „Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Behandlung auch bei weit fortgeschrittenen Stadien noch erfolgreich angewendet werden kann“, ist der Oberarzt überzeugt.

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