Überlebensnische für Krebszellen

10.06.2011 - Deutschland

Krebszellen wachsen nicht überall im Körper gleich gut. Häufig schaffen sie sich erst die Bedingungen, damit sie wachsen können. So hat die Forschung vor vielen Jahren entdeckt, dass feste Tumoren Blutgefäße anlocken, um sich zu ernähren, indem sie bestimmte Faktoren ausschütten. Jetzt haben die Immunologin Dr. Uta Höpken (Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, MDC, Berlin-Buch in der Helmholtz-Gemeinschaft) und der Hämatologe Dr. Armin Rehm (Charité – Virchow-Klinikum, Klinik für Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie, MDC) erstmals zeigen können, dass auch Formen von Lymphdrüsenkrebs sich ihre eigene Überlebensnische schaffen.

Lymphome, wie der Lymphdrüsenkrebs in der Fachsprache genannt wird, sind entgleiste Immunzellen (B- oder T-Zellen), also eine bestimmte Gruppe weißer Blutzellen (Lymphozyten). Dr. Rehm und Dr. Höpken konnten am MDC erstmals mit Mäusen zeigen, dass die Ausbreitung der Lymphomzellen und ihre Ansiedelung in den Lymphknoten oder in der Milz entscheidend von bestimmten Boten- und Wachstumsstoffen, den Chemokinen CCL19/CCL21, abhängt.

Chemokine locken normalerweise Immunzellen zu einer Infektion oder einem Entzündungsort. Lymphomzellen als ehemalige Immunzellen haben auf ihrer Zelloberfläche spezielle Antennen (Rezeptoren), an die diese Botenstoffe binden. Bekommen die Krebszellen das Signal über ihren Rezeptor CCR7, wandern die Krebszellen in Lymphknoten und in bestimmte Areale der Milz.

Paradox

CCR7 steuert aber nicht nur die Wanderung der Lymphomzellen, sondern ist damit offenbar auch entscheidend für ihre Entwicklung und ihr Überleben. Wie die beiden Forscher in einem weiteren Schritt zeigen konnten, wachsen die Lymphome im Lymphknoten oder in der Milz ohne diesen Rezeptor sehr langsam.

Ihre Überlebensnische aber finden die Krebszellen in den Lymphknoten und in der Milz mit Hilfe von CCR7, und zwar in deren T-Zell-Zone. In dieser Zone werden normalerweise T-Zellen für die Abwehr fit gemacht. „Es ist paradox, dass Lymphomzellen als ehemalige B-Zellen in der T-Zell-Zone eine absolut optimale Umgebung für ihr Wachstum vorfinden“, sagte Dr. Höpken.

Dort nehmen die Lymphomzellen mit Bindegewebszellen (Stromazellen) Kontakt auf, die daraufhin verstärkt die Chemokine CCL19/CCL21 freisetzen. Über den Rezeptor CCR7 werden dann nicht nur weitere Krebszellen in die Lymphknoten oder in die Milz gelockt, sondern hierdurch wird auch ihr Wachstum stimuliert.

Andererseits schütten die Lymphomzellen selbst einen Signalstoff (Lymphotoxin) aus, der die Stromazellen so verändert, dass sie immer mehr Chemokine freisetzen. Auf diese Weise stellen die Lymphomzellen ihr Überleben sicher. Das erklärt möglicherweise auch, weshalb manche Lymphome so aggressiv sind.

In Mäusen gelang es den Forschern, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Mit einem Wirkstoff, der die Bindung des Lymphotoxins an die Stromazellen blockiert, konnten sie das Krebswachstum stoppen. „Künftig“, so Dr. Rehm, „wird man bei einer Therapie möglicherweise nicht die Lymphomzellen direkt beeinflussen, sondern stattdessen das Bindegewebe, das für die Krebszellen überlebenswichtig ist.“

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