Wie im Krimi: Fahndung nach dem EHEC-Erreger
In Laboren untersuchen Experten Lebensmittel und Stuhlproben, um dem gefährlichen Durchfallerreger auf die Schliche zu kommen
(dpa) Mit den «Hauptverdächtigen» kennt Anselm Lehmacher keine Gnade. Sie werden zerstückelt, eingewogen, in eine spezielle Nährlösung gelegt und schließlich über Nacht durchgeschüttelt - bisher ohne Erfolg. Über 120 Lebensmittel, vor allem Gemüse, hat der Mikrobiologe am Hamburger Institut für Hygiene und Umwelt in seiner Abteilung bereits auseinander- und unter die Lupe genommen. Aber: «Wir haben noch keinen konkreten Verdacht auf EHEC», sagt Lehmacher. Seit vergangenem Freitag fahndet er querbeet. Die Herkunft des Durchfall-Erregers konnte er bisher nicht bestimmen. Die Jagd auf das gefährliche Bakterium läuft weiter auf Hochtouren.
Im Stundentakt liefern Kuriere in Kühlboxen verdächtiges Gemüse in das sterile Labor der Abteilung Mikrobiologie. In Plastikfolien und Einweggläsern liegen die mutmaßlichen Bakterienträger kreuz und quer. Erbsen, Karotten, Radieschen und andere Lebensmittel müssen sich einer gründlichen Untersuchung unterziehen.
Die Suche nach dem Erreger erweist sich als sehr schwierig. Die Angaben der Betroffenen lassen zwar vermuten, dass die üblichen Verdächtigen wie Rohmilch, Frischkäse und Rindfleisch für den großen Ausbruch des Erregers nicht infrage kommen. Die Patienten hätten nur wenig Fleisch gegessen. Lehmacher möchte diese möglichen Erreger-Quellen aber noch nicht ausschließen - zumal Gemüse als Ursache dieser Erkrankung seines Wissens «sehr ungewöhnlich» wäre. Nach früheren EHEC-Ausbrüchen wisse man jedoch, dass der Erreger bei den Gemüsesorten eher an Salat, Sprossen und Spinat zu finden ist.
Viele der Infizierten sind wegen ihrer schweren Erkrankung nicht ansprechbar, können also keine Angaben machen, was sie zuvor gegessen haben. Daher konnte Lehmachers Abteilung bisher nur wenige Lebensmittel aus Haushalten der Erkrankten untersuchen. Diese Quellen sind aber am geeignetsten, um dem Erreger auf die Schliche zu kommen. Außerdem benötigen die Lebensmittelkontrolleure eine Genehmigung der Bewohner, um in die Wohnungen der Betroffenen zu gelangen - das dauert. In Einzelhandel und Großhandel bleibt den Gesundheitsämtern nichts anderes übrig, als nach dem Zufallsprinzip auszuwählen.
Szenenwechsel nach Hannover: Doris Wagner hält ein Röhrchen mit einer gelblichen Flüssigkeit gegen das Licht. Mehrere Stunden lang wurde die Stuhlprobe eines möglicherweise Erkrankten im Landesgesundheitsamt Niedersachsen bei 37 Grad durchgeschüttelt - «bebrütet», nennt es die Mikrobiologin Wagner. So vermehrt sich der Erreger und lässt sich in den Laboren besser nachweisen.
«Das ist unser Wellnessprogramm für das Bakterium», erklärt sie den ersten Schritt vor der Probe auf den EHEC-Erreger, den ELISA-Test. Für den Antigen-Antikörper-Test gibt sie 100 Mikroliter der durchgeschüttelten Lösung mit Resten der Probe in ein Reagenzglas.
Eine Farbreaktion verrät das Bakterium. «Je gelber die Bouillon wird, desto stärker reagiert der Giftstoff im Stuhl», sagt Wagner. Tut sich nichts und die Flüssigkeit bleibt transparent, ist der Durchfall-Erreger nicht vorhanden und der Patient nicht an EHEC erkrankt. Endgültige Gewissheit gibt ein zweiter sogenannter PCR-Test, bei dem die DNA-Stränge des Bakteriums nachgewiesen werden.
«Es ist sehr ungewöhnlich, dass momentan so viele Proben auf EHEC bei uns eingehen», sagt Wagner. Zwischen 15 und 20 seien es pro Tag. «EHEC ist ein Saisongeschäft - wir haben vor allem im Sommer immer wieder mit dem Keim zu tun.» Doch in den Fällen der Vergangenheit war die Ursache der Infektion schnell ausgemacht. Vor zwei Jahren hatte sich eine ganze Schulklasse durch frische Milch auf einem Bauernhof mit EHEC infiziert. «Das ist der Klassiker», meint Wagner. Was die Experten aber jetzt erleben, weicht deutlich vom Tagesgeschäft ab.
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