Wie Gene Nervenschmerzen beeinflussen

13.04.2011 - Deutschland

Blond oder brünett, klein oder groß, mehr oder weniger schmerzempfindlich, …? Gene haben beträchtlichen Einfluss auf unser Aussehen und auch auf unser Verhalten. Dass sie zudem die Ausprägung von Nervenschmerzen beeinflussen, zeigt nun eine Studie des Deutschen Forschungsverbundes Neuropathischer Schmerz (DFNS). Diese belegt eindeutige Zusammenhänge zwischen typischen Nervenschmerz-Symptomen wie erhöhter Hitze- oder verminderter Kälteschmerzhaftigkeit und genetischen Varianten so genannter TRP (Transient Receptor Potential)-Kanäle. Die Ergebnisse versprechen auf lange Sicht neue therapeutische Optionen mit noch zu erforschenden Medikamenten, die speziell gegen TRP-Kanäle wirken.

Neuropathische Schmerzen, allgemein als Nervenschmerzen bekannt, entstehen durch eine Schädigung oder Erkrankung von Nervenfasern. Einschießende Schmerzen, Brennen, Kribbeln oder Überempfindlichkeit auf Kälte, Wärme und auf normalerweise nicht-schmerzhafte Reize sind typische Symptome. Häufig treten aber auch sensible Ausfälle wie verminderte Wahrnehmung von Kälte und Wärme oder unangenehme Taubheit auf.

TRP-Kanäle bestimmen Nervenschmerzen

Bei der Verarbeitung von Kälte-, Wärme- und mechanischen Reizen spielen spezielle Ionenkanäle, so genannte TRP (Transient Receptor Potential)-Kanäle, eine wichtige Rolle. Wie sich genetische Varianten dieser Kanäle auf die Symptomatik neuropathischer Schmerzpatienten auswirken, haben Forscher des DFNS in Zusammenarbeit mit dem Institut für Pharmakologie der Universität zu Kiel untersucht. Im Fokus standen drei TRP-Kanäle und deren Polymorphismen, also Gene, dies sich durch einzelne DNA-Bausteine unterscheiden.

Zuerst wurde bei 371 Patienten mit neuropathischen Schmerzen das genaue Schmerzprofil mit Hilfe der Quantitativ Sensorischen Testung (QST) nach DFNS-Standard erhoben. Diese erfolgt mit einer so genannten Thermode, die sich auf der Haut abkühlen und erwärmen kann, und weiteren Mitteln wie Pinsel oder Wattebausch und erfasst mit insgesamt 13 Parametern die Wahrnehmungs- und Schmerzschwellen für Kälte, Wärme und diverse mechanische Reize auf der Haut. „Dank der QST ist es uns gelungen, die Patienten zu charakterisieren. Zusätzlich konnten wir diese dann in zwei Kategorien einteilen. Eine mit Patienten, die vorwiegend überempfindlich auf Schmerz reagieren, und eine Zweite, für die eine verminderte oder normale Reaktion auf Schmerzen typisch ist. Dabei wies der nachfolgende Vergleich der Symptomatik mit den vorliegenden genetischen Varianten der TRP-Kanäle einen eindeutigen Zusammenhang auf.“, erklärt Dr. Andreas Binder von der Klinik für Neurologie, Kiel, der gemeinsam mit Dr. Denisa May vom Institut für Pharmakologie, Kiel, die Studie durchgeführt hat.

Erstmals konnte gezeigt werden, dass Patienten der ersten Kategorie mit einer bestimmten Variante der TRP-Kanäle feine Berührungen besser wahrnahmen und eine geringere Schmerzhaftigkeit auf Hitze und Nadelreize aufwiesen. Ein anderer Polymorphismus ging wiederum mit einer geringeren Kälteempfindlichkeit einher. Interessant war auch, dass alle Patienten mit einer bestimmten TRP-Variante eindeutig unter paradoxer Hitzeempfindung litten, wobei kalte Reize als heiß empfunden werden. Zusätzlich wurden 253 gesunde Probanden auf die Häufigkeit derselben Genpolymorphismen untersucht. “Wir konnten im Vergleich mit den Patienten zeigen, dass nicht das Auftreten des Schmerzes, aber dessen Ausprägung durch Genvarianten beeinflusst wird.“, erläutert Dr. Denisa May.

Optimierte Therapie im Blick

Die Erforschung spezieller „Schmerz-Gene“ befindet sich immer noch am Anfang und bedarf weiterer Studien an großen Patientenkollektiven. „Doch schon jetzt zeigen sich neue Perspektiven auf. So befinden sich erste Medikamente, die speziell gegen TRP-Kanäle gerichtet sind, bereits in klinischer Erprobung.“, führt der Pharmakologe Prof. Ingolf Cascorbi, Universität zu Kiel, der den genetischen Teil der Studie betreut hat, aus. Langfristig hoffen die Forscher auf eine Optimierung der Therapie neuropathischer Schmerzen. Mit Capsaicin, das den Wirkstoff der Chilischote enthält, ist das erste Medikament dieser Art bereits auf dem Markt.

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