Ernst & Young: Deutscher Biotechnologie-Report 2011

Umsatz, Forschungsausgaben und Anzahl der Beschäftigten in der deutschen Biotech-Branche gestiegen

06.04.2011 - Deutschland

Die deutsche Biotech-Branche ist wieder auf Wachstumskurs: Im Jahr 2010 konnte das so genannte Kernsegment, also Biotech-Unternehmen, die ihren Stammsitz in Deutschland haben, den Umsatz um sieben Prozent auf 1,06 Milliarden Euro Umsatz steigern. Auch die Zahl der Beschäftigten stieg – um zwei Prozent auf gut 10.000 – während die Zahl der Unternehmen mit 400 weiterhin stabil auf dem Niveau des Vorjahres (399) lag. Die Finanzierungssituation der Branche hat sich im vergangenen Jahr gemessen an den Investitionsvolumina wieder deutlich verbessert, bleibt aber angespannt. Zu diesen Ergebnissen kommt der zwölfte deutsche Biotechnologie-Report der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young.

Im Vergleich zu 2009 stiegen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) um vier Prozent auf 809 Millionen Euro. „Das ist ein wichtiges Signal. Es zeigt, dass die Biotech-Branche als Innovationsmotor wieder Fahrt aufnimmt“, stellt Siegfried Bialojan, Leiter des Life Science Industriezentrums bei Ernst & Young und Autor der Studie, fest.

Fortschritte bei der Produktentwicklung

Insgesamt ist die Zahl der Wirkstoffe in der Medikamenten-Entwicklung bei den deutschen Biotech-Unternehmen um zwei Prozent auf 344 gestiegen. In der aus Wertschöpfungssicht wichtigen klinischen Prüfung – also in den Phasen I bis III – befinden sich derzeit mit 151 Wirkstoffen deutlich mehr Projekte als im Vorjahr (141) – eine Zunahme um sieben Prozent. Drei Produkte befanden sich 2010 in der Zulassungsphase (2009: 2), neue Zulassungen waren allerdings nicht zu verzeichnen, nachdem im Jahr 2009 drei neue Medikamente den Markt erreicht hatten. „Deutsche Biotech-Unternehmen stellen damit ihr Innovationspotenzial unter Beweis“, kommentiert Bialojan. „Sie übertreffen mit diesen Zahlen die anderen europäischen Länder nicht nur bei der Wachstumsdynamik (2,4 Prozent in Europa) sondern auch hinsichtlich der Fokussierung auf bestimmte Krankheiten - vor allem Krebs - sowie auf moderne biologische Medikamentenansätze wie zum Beispiel monoklonale Antikörper“.

Finanzierung erreicht nahezu Vorkrisenniveau

Gemessen an der Höhe der Investitionen hat sich die Finanzierungssituation der deutschen Biotech-Branche im Jahr 2010 nach zwei Krisenjahren signifikant verbessert. Im Jahr 2007 waren noch 456 Millionen Euro in die Branche geflossen, 2008 war die Eigenkapitalfinanzierung dann zunächst um 45 Prozent und 2009 um weitere 46 Prozent eingebrochen. 2010 brachte hingegen eine deutliche Trendwende: Mit 421 Millionen Euro an Eigenkapital flossen rund 200 Prozent mehr als im Vorjahr in die Branche. Damit hat die Finanzierung inzwischen wieder etwa 90 Prozent des Vorkrisenniveaus erreicht.

Am meisten investierten Risikokapitalgeber in die deutsche Biotech-Branche: 279 Millionen Euro – 244 Prozent mehr als im Vorjahr – flossen in nicht gelistete Biotechnologie-Unternehmen. Bör­sennotierte Gesellschaften konnten 143 Millionen Euro an zusätzlichem Kapital­ aufnehmen – ein Plus um immerhin 164 Prozent gegenüber 2009.

Wie in Deutschland hat sich auch in Europa der Zufluss von Risikokapital in die Branche erhöht – um ein Drittel auf 1014 Millionen Euro. Anders als in Deutschland war europaweit allerdings ein, wenn auch nur minimaler, Rückgang bei Sekundärfinanzierungen börsennotierter Unternehmen zu verzeichnen: von 1,35 auf 1,33 Milliarden Euro. Gleichzeitig gelang es aber, bei zehn Börsengängen insgesamt 165 Millionen Euro aufzunehmen. In Deutschland gab es hingegen seit 2006 keinen Biotech-IPO mehr.

Strukturelle Defizite der Finanzierungssituation noch nicht überwunden

Trotz der insgesamt sehr erfreulichen Zahlen leidet die Branche aber nach wie vor unter erheblichen Finanzierungsproblemen. Die Zahl der klassischen Venture Capital Fonds ist rückläufig, und das Fund Raising ist nach wie vor extrem schwierig. “Die Finanzierungssituation der Branche bleibt angespannt“, gibt Bialojan zu bedenken. „Der größte Teil des investierten Kapitals ging 2010 in wenige große Finanzierungsrunden – meist unter Beteiligung der beiden Family Offices Strüngmann und Hopp – sodass für die breite Masse vieler junger und kleinerer Unternehmen die Erholung noch nicht spürbar ist. Für die Branche bleibt somit die Finanzierung eine der Kernherausforderungen der kommenden Jahre“.

Deutsche Biotech-Unternehmen aktiver im Transaktionsgeschehen

Transkationen haben in den letzten Jahren – auch aufgrund massiver Veränderungen in der Pharmaindustrie – an Bedeutung zugenommen. Vor allem im Zusammenhang mit den erschwerten Finanzierungsbedingungen setzen Biotech-Unternehmen stärker auf die Zusammenarbeit mit Partnern in unterschiedlichen Geschäftsmodellen. In Deutschland haben daher Allianzen zwischen Biotech- und Pharma-Unternehmen 2010 zugenommen. Vor allem gab es mehr Auslizenzierungen von Technologien sowie Dienstleistungsverträge. „Besonders erfreulich ist, dass Kollaborationen zur gemeinsamen Produktentwicklung auch bereits in früheren Phasen gelingen“, erläutert Bialojan. „Dies zeigt erneut die Innovationskraft der deutschen Biotech-Unternehmen, die vor allem aufgrund innovativer Technologieentwicklungen attraktive Allianzen aushandeln konnten“. Der Vertrag zwischen Cellzome und GlaxoSmithKline sei ein herausragendes Beispiel für eine frühe Partnerschaft mit erheblichem Potenzial.

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