Mit neuen Sensoren aus Kohlenstoff-Nanoröhrchen haben Forscher des Stuttgarter Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung winzige Spuren der Erbsubstanz DNS nachgewiesen. Weil die Sensoren auf spezifische DNS-Sequenzen ansprechen, lassen sie sich prinzipiell für die schnelle Untersuchung von Blutproben verwenden. Der Nachweis von DNS ist notwendig, um unterschiedliche Krankheiten wie Infektionen durch Viren oder Mikroben zu diagnostizieren. Die Nanosensoren der Stuttgarter Wissenschaftler sind so empfindlich, dass die DNS anders als bislang nicht mehr zeitaufwendig aufkonzentriert oder markiert werden muss. Die Forscher haben eine Routinemethode für die Herstellung ihrer Nanosensoren entwickelt, die prinzipiell eine schnelle Serienfertigung ermöglicht. Das Endprodukt könnte ein handygroßer Analyseapparat sein, der sich im Feld, etwa in einem von einer Epidemie betroffenen Gebiet, einsetzen ließe.
Wer während der Schweinegrippe-Epidemie im Krankenhaus eine leichte Erkältung oder Fieber bekam, wurde isoliert und auf Schweinegrippe untersucht, obwohl es sich um eine normale Erkältung gehandelt haben konnte. Weil es keine rasche Methode zum Nachweis der Krankheit gab, war die stundenlange Isolation mit Stress verbunden. Auch bei anderen Fällen von Infektionen, etwa nach einem Unfall, wäre eine deutlich schnellere Diagnose wünschenswert, da von ihrem Ergebnis die weitere Therapie abhängen kann.
Oft dauert es aber Tage bis die Diagnose vorliegt. Nämlich dann, wenn die Diagnose auf dem Nachweis der Erbsubstanz DNS beruht. Denn die DNS des Krankheitserregers liegt nur in Spuren im Blut vor, sodass sie durch die üblicherweise verwendeten optischen Methoden nicht detektiert werden kann. Die gesuchten DNS-Moleküle werden deshalb mit Hilfe der sogenannten Polymerase-Kettenreaktion (engl. Polymerase Chain Reaction, PCR) vervielfältigt und anschließend mit einem fluoreszierenden Molekül markiert. Erst dann ist ein so genanntes Fluoreszenzmikroskop in der Lage, die Fremd-DNS nachzuweisen.
Mit dem Sensorchip der Forscher um Kannan Balasubramanian vom Max-Planck-Institut für Festkörperforschung erübrigt es sich hingegen, die DNS aufzukonzentrieren. Denn der Chip weist die Erbsubstanz nicht mithilfe eines Mikroskops, sondern mit sehr empfindlicher Elektronik nach. Sein Herzstück sind Kohlenstoff-Nanoröhrchen. Diese bestehen aus einem aufgerollten Netz von Kohlenstoff-Atomen. Die Röhrchen mit weniger als einen Nanometer, einem Millionstel Millimeter Durchmesser zeichnen sich durch eine sehr gute Leitfähigkeit aus. Sie eignen sich als hochsensitive Sensoren, weil sich die gute Leitfähigkeit bereits durch geringe Störungen verändert – etwa wenn ein Molekül an das Röhrchen bindet. Der Grund hierfür ist, dass die Nanoröhrchen keine Atome in ihrem Innern aufweisen. Alle Kohlenstoffatome sitzen an seiner Oberfläche. Daher beeinflusst eine Störung an der Oberfläche das gesamte Röhrchen.
Doch Empfindlichkeit allein ist erst die halbe Miete. Da in einer biologischen Flüssigkeit außer der gesuchten noch viele weitere DNS-Moleküle herumschwimmen, muss der Sensor gewissermaßen blind gegen diese nicht interessierenden Moleküle gemacht werden. Die Fähigkeit des Sensors, nur eine bestimmte DNS-Sequenz zu detektieren, nennen Wissenschaftler Selektivität. Diese erreichen die Forscher indem sie vor der Messung bestimmte DNS-Moleküle an das Nanoröhrchen binden. Diese können sich jeweils mit dem gesuchten DNS-Molekül - und nur mit diesem - zu einer DNS-Doppelhelix verbinden. Die beiden Hälften passen sozusagen zusammen wie Schlüssel und Schloss. Wenn die beiden DNA-Moleküle sich verbinden, beeinflusst dies das Nanoröhrchen ebenso als würde ein Molekül direkt an seine Oberfläche binden: Die Elektronendichte auf dem Kohlenstoff-Nanoröhrchen verändert sich und damit dessen Leitfähigkeit.
DNS-Test am Nanoröhrchen: Auf der der Oberfläche des Kohlenstoffröhrchens fixieren die Forscher des Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung einzelne Stränge einer gesuchten Erbsubstanz. Daran lagern sich die passenden DNS-Stücke (gelb) aus der Probe und verändern die Leitfähigkeit des Nanoröhrchens. Diese Änderung der Leitfähigkeit lässt sich über die beiden Elektroden messen, die das Röhrchen überbrückt.
© K. Balasubramanian
Sensor-Chip für die Suche nach Krankheitserregern: Der Chip wird auf einer Platine befestigt. Sein Herzstück bilden Nanoröhrchen, die zwei Platin-Elektroden überbrücken. Der Chip ist mit einer Poly(dimethylsiloxan)-Platte (PDMS) bedeckt. Darin ausgespart sind zwei Reservoirs und ein Mikrokanal, der über der Lücke zwischen den Elektroden liegt. Die Reservoirs und der Mikrokanal sind hier mit Pufferlösung gefüllt. Die Referenz-Elektrode ermöglicht stabile und reproduzierbare Messungen. Das Bild eines Rasterkraftmikroskops (unten) zeigt die Nanoröhrchen zwischen den Elektroden.
© K. Balasubramanian / Angewandte Chemie
Sensorchip für mobile Diagnosegeräte
Die Stuttgarter Forscher haben Chips gebaut, in denen mehrere der vorbehandelten Kohlenstoff-Röhrchen zwei Elektroden miteinander verbinden. Die Elektroden bilden einen wenige Tausendstel Millimeter breiten Kanal durch den die zu untersuchende Lösung fließt, und in Kontakt mit den Nanoröhrchen tritt. Die Elektroden lassen sich an ein Messgerät anschließen, das die Änderung der Leitfähigkeit bestimmt.
Durch eine chemische Prozedur lösten die Forscher die DNS-Moleküle nach der Messung wieder von den Nanoröhrchen ab, sodass der Sensor wieder verwendet werden konnte. Eine so genannte Referenzelektrode macht die Messergebnisse reproduzierbar und stabil.
Bei einem ersten Versuch mit einer künstlichen Lösung aus synthetischen DNS-Molekülen fanden die Stuttgarter Forscher eine so geringe Spur der gesuchten Moleküle, wie sie bislang kein Sensor nachweisen konnte. In Zahlen ausgedrückt wies der Sensor 2000 Moleküle der gesuchten DNS in 30 Mikrolitern Lösung nach. Das entspricht einer 100 attomolaren DNS-Lösung.
„Wir glauben, dass die Methode soweit verfeinert werden kann, dass noch weit geringere Konzentrationen, im Extremfall sogar einzelne Moleküle nachgewiesen werden können“, sagt Kannan Balasubramanian. Die nächste Hürde, die die Forscher nehmen wollen, ist die Untersuchung von echten biologischen Flüssigkeiten. Angefangen haben sie damit bereits.
Der Erfolg des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Teams beruht auf langjähriger Forschungsarbeit, bei der die Wissenschaftler eine Routine-Methode zur Herstellung von hochempfindlichen Sensor-Chips mit Kohlenstoff-Nanoröhrchen entwickelt haben. „Diese Methode ist prinzipiell skalierbar“, sagt Balasubramanian. Das heißt die Sensor-Chips könnten in Serie gefertigt werden. Der Forscher glaubt daher, dass die Nanosensoren aus Stuttgart einst für handygroße mobile Diagnosegeräte genutzt werden könnten, um im Feld oder in Krankenhäusern zuverlässig und schnell Krankheitserreger zu identifizieren.