Mehr Placebos nutzen - denn sie nutzen

03.03.2011 - Deutschland

(dpa) Zuckerpillen und weiße Salbe wirken doch: Experten raten Ärzten deshalb, den Placebo-Effekt stärker für die Therapie zu nutzen. «Placebo wirken stärker und sehr viel komplexer als bisher angenommen. Ihr Einsatz ist von enormer Bedeutung für die ärztliche Praxis», sagte Prof. Christoph Fuchs, Hauptgeschäftsführer der Bundesärztekammer (BÄK), am Mittwoch in Berlin. Dort stellte eine Arbeitsgruppe des Wissenschaftlichen BÄK-Beirats eine umfangreiche Untersuchung dazu vor.

Bereits im Studium und später auch in der ärztlichen Weiterbildung sollte das Thema eine größere Rolle spielen, fordern die Autoren. Denn: «Mit dem Einsatz von Placebo lassen sich erwünschte Arzneimittelwirkungen maximieren, unerwünschte Wirkungen von Medikamenten verringern und Kosten im Gesundheitswesen sparen», sagte Prof. Robert Jütte, der die Arbeitsgruppe leitete.

Als Placebos werden wirkstofflose Scheinpräparate bezeichnet. Das Fehlen eines Wirkstoffs bedeutet jedoch nicht, dass die Verabreichung keinen Effekt haben kann. Zwar sei bis heute nicht erschöpfend geklärt, wie ein Placebo genau funktioniert. Aber der günstige Effekt sei hirnphysiologisch und -anatomisch lokalisierbar, hieß es. So legten viele Studien nahe, dass vor allem eine Aktivierung der Stirnlappen die Wirkweise erklären.

Diverse Studien belegten zudem, dass der Effekt bereits in unterschiedlichster Form in der therapeutischen Praxis angewandt werde: So zeige eine aktuelle Schweizer Studie, dass 57 Prozent der dortigen Hausärzte auch sogenannte Pseudo-Placebos, also Arzneistoffe mit sehr niedriger Wirkstoffdosis, einsetzen. 17 Prozent geben ihren Patienten auch mal reine Zuckerpillen.

Ethisch sei die bewusste Anwendung solcher Scheinmedikamente vertretbar, meinen die BÄK-Experten. Allerdings unter bestimmten Voraussetzungen: «Nur dann, wenn es für den speziellen Fall keine geprüfte Pharmako-Therapie gebe, der Patient nur geringe Beschwerden habe und Aussicht auf Erfolg der Behandlung bestehe. Auf eine Aufklärung des Patienten über Nutzen und Risiken dürfe zudem nicht verzichtet werden», betonte Jütte.

Weitere Grundlagenforschung zum Placebo-Effekt müssten jedoch folgen, schloss Jütte und erinnerte an einen Spruch von Hippokrates: «Der Arzt muss nicht nur bereit sein, selber seine Pflicht zu tun, er muss sich auch die Mitwirkung des Kranken, der Gehilfen und der Umstände sichern.»

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