Ausgaben für Forschung und Entwicklung sinken in Deutschland erstmals um 3,1%

China und Indien legen bei F&E gegen den globalen Trend um 41,8% zu

05.11.2010 - Deutschland

Das Krisenjahr 2009 hinterläßt deutliche Spuren in der Forschungs- und Entwicklungsbilanz (F&E) der deutschen Unternehmen: Erstmals seit 1997 reduzierten diese ihre Budgets für Innovationsprojekte um 3,1%. Da allerdings gleichzeitig die Umsätze der untersuchten Konzerne um drastische 9,5% zurückgingen, ist die Innovationsintensität (Verhältnis des Innovationsetats zum Umsatz) leicht gestiegen. Deutsche Konzerne verteidigen auch 2009 vor Frankreich und der Schweiz den Titel als Innovations-Europameister. So stehen deutsche Unternehmen mit 27,7 Mrd. Euro (Vorjahr 28,6 Mrd. Euro) immer noch für 7,6% (Vorjahr 7,9%) der weltweiten F&E-Investitionen.

Weltweit sanken die F&E-Ausgaben gegenüber 2008 um 3,5% auf 363 Mrd. Euro, wobei die US-Konzerne mit -3,8% und Europa mit moderaten -0,2%, noch glimpflich davongekommen sind. Als große Ausnahme des globalen Abwärtstrends erweisen sich zwei asiatische Wachstumsmärkte: China und Indien erhöhten ihre F&E-Budgets gegenüber dem Vorjahr zusammen um gewaltige 41,8%. Dabei spielt die weitgehende Resistenz dieser beiden Länder gegen die globale Rezession eine ebenso große Rolle wie die niedrige Ausgangsbasis. Denn das gesamte F&E-Investitionsvolumen der chinesischen und indischen Unternehmen macht lediglich 1% der global allokierten Innovationsbudgets aus.

Das sind die zentralen Ergebnisse der aktuellen "Global Innovation 1.000"-Studie der internationalen Strategieberatung Booz & Company. Diese untersucht jährlich die F&E-Budgets und -Strategien der 1.000 Unternehmen mit den weltweit höchsten Ausgaben in diesem Bereich.

Innovation wird zum entscheidenden Standortfaktor

Die Zahlen sind auch ein Indiz dafür: Der Innovations- und Forschungsstandort Deutschland kann trotz des rezessionsbedingten Rückgangs im letzten Jahr noch immer aus einer Position der Stärke heraus agieren. Die enormen Steigerungsraten in China und Indien verdeutlichen aber auch, welche Ressourcen und strategische Bedeutung die dort angesiedelten Unternehmen dem Thema Innovation zuteil werden lassen. "Das Label 'Engineered in Germany, produced in China' substituiert in den letzten Jahren zunehmend das traditionelle Qualitätssiegel 'Made in Germany'. Wenn deutsche Unternehmen ihre F&E-Investionen nach dem Rückgang im Krisenjahr 2009 auch am Standort ihrer Zentrale nicht wieder deutlich erhöhen, steht mittelfristig auf immer mehr Erfolgsprodukten wohl 'Engineered & produced in China'. Weitere und vor allem zukunftsträchtige Wertschöpfung ginge dann für unsere Volkswirtschaft langfristig verloren", sagt Stefan Eikelmann, Sprecher der deutschen Geschäftsführung von Booz & Company. Seine Empfehlung: "Die Politik muss die förderpolitischen und strukturellen Voraussetzungen für Innovationen schaffen sowie Investitionen in Zukunftstechnologien regulatorisch und auch steuerlich stärker begünstigen. Nur so kann Deutschland Innovations-Europameister bleiben und auf globaler Ebene mit Forschungsstandorten wie den USA sowie langfristig China und Indien mithalten."

Automobilbranche tritt auf die Innovationsbremse

Noch immer konzentrieren sich mit 64% fast zwei Drittel der globalen F&E-Ausgaben auf drei Branchen: Gesundheit/Pharma, Elektronik/Computer und Automobilindustrie. Auch wenn der Automobilsektor 2009 ca. 15% der weltweiten F&E-Ausgaben tätigte, trat dieser im weltweiten Branchenvergleich am heftigsten auf die Innovationsbremse. Trotz akut notwendiger Investitionen in die Entwicklung alternativer und CO2-sparender Antriebstechnologien senkten Hersteller wie Zulieferer die F&E-Ausgaben um insgesamt 14,3%. Eine der wenigen Ausnahmen: Volkswagen gab gegen den Branchentrend 133 Mio. Euro und damit ca. 3,6% mehr als im Vorjahr für neue Fahrzeug- und Antriebskonzepte aus. "Es ist keine Überraschung, dass die weltweite Rezession 2009 auch die globalen Top-Innovatoren eingeholt und zu entsprechenden Einsparungen gezwungen hat", so Stefan Eikelmann. "Die deutsche Industrie ist mittlerweile auf einen starken Wachstumspfad zurückgekehrt. Die Unternehmensgewinne erreichen schon fast wieder das Vorkrisenniveau. Jetzt kommt es darauf an, die Innovationsaktivitäten kräftig hochzufahren, diese im Einklang mit den Kernkompetenzen zu fokussieren und damit die Wettbewerbsposition nachhaltig abzusichern."

Wie im Vorjahr liegt die IT- und Elektronikbranche beim F&E-Investment mit einem Anteil von 27% an der Spitze. Die Pharma-Unternehmen sind mit 11,2% bei der Innovationsintensität Spitze. Insgesamt allokiert die Branche 113 Mrd. US$ für die Erforschung neuer Wirkstoffe und Therapien. Das entspricht 22% der weltweiten F&E-Investitionen. Dennoch ist auch hier ein leichter Abwärtstrend zu verzeichnen. Die Steigerungsrate der F&E-Budgets fiel mit 1,5% deutlich geringer aus als im Vorjahr (8,3%).

Neun deutsche Unternehmen befinden sich unter den globalen Top 100

Die vordersten Plätze des "Innovation 1.000-Rankings" von Booz & Company nach Höhe der Ausgaben belegen Roche, Microsoft und Nokia. Toyota wurde von seinem Spitzenplatz auf Rang vier verdrängt. Die Positionen fünf bis zehn gehen an Pfizer, Novartis, Johnson&Johnson, Sanofi-Aventis, GlaxoSmithKline sowie Samsung.

Trotz sinkender F&E-Ausgaben in Deutschland sind mit Volkswagen (15), Siemens (16), Daimler (26), Bayer (29), BMW (32), SAP (54), BASF (60), Continental (62) und Merck (65) neun deutsche DAX 30-Mitglieder in den Top 100 der "Global Innovation 1.000" vertreten.

Design der Studie "Global Innovation 1.000" von Booz & Company

Für die Studie identifiziert Booz & Company die Top 1.000 der globalen Unternehmen, die ihre F&E-Ausgaben veröffentlichen. In einem zweiten Schritt wurden für die Studie die wichtigsten Finanz-, Umsatz-, Ertrags-, Kosten- und Profitabilitätskennzahlen der vergangenen sechs Jahre analysiert und in Zusammenhang mit den historischen Ausgaben für F&E gebracht. Die Zuordnung der Unternehmen zu Regionen folgt der Angabe des Unternehmensitzes. Die F&E-Ausgaben, die Siemens etwa in den USA tätigt, fließen somit in die Region Europa ein.

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