Biomechanische Zelleigenschaften hochrelevant für die Krebsforschung

13.10.2010 - Deutschland

Voraussetzung für das Wachstum sowie die Verbreitung von Krebszellen sind Veränderungen an bestimmten biomechanischen Eigenschaften von Zellen. Diese neuesten Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Physik von Krebszellen sind gerade von der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Josef A. Käs zusammen mit Prof. Dr. Dr. Michael Höckel (beide Universität Leipzig) in einem eingeladenen Artikel in dem Fachjournal Nature Physics veröffentlicht worden. Die Veröffentlichung wird dabei vom National Cancer Institute in Washington DC gesponsert.

Ausgehend von den Materialeigenschaften einer (Krebs-)Zelle sind der Physiker Prof. Dr. Josef Käs und der Mediziner Prof. Dr. Dr. Michael Höckel zu Ergebnissen gekommen, die zu deutlichen Veränderungen in der Behandlung von Krebserkrankungen führen könnten: Das Forscherteam hat mit seinen Untersuchungen herausgefunden, dass die biomechanischen Eigenschaften von Tumorzellen ihr Wachstum sowie ihre Verbreitung im menschlichen Körper vorantreiben.

Drei biomechanische Eigenschaften stehen für diesen Vorgang im Blickpunkt: Erstens wird das äußere Zellskelett, der so genannte Aktinkortex bei einer Krebszelle zunächst deutlich weicher und erlaubt somit ein schnelleres Wachstum sowie eine schnelle Vervielfältigung. "Diese Eigenschaft haben wir bereits in ersten klinischen Studien, beispielsweise gemeinsam mit Prof. Thorsten Remmerbach bei Mundkrebs, nachweisen können", erklärt der Physiker. Die zweite auffällige biomechanische Eigenschaft von Krebszellen betrifft das Wachstum des Tumors gegen das bestehende Normalgewebe selbst: "Diese Zellen müssen sich offenkundig nicht linear versteifen, dass sie gegen ihre Umgebung wachsen können. Nur so lässt sich der Widerspruch auflösen, dass der Aktinkortex der Zellen weicher wird und sie trotzdem dem Druck des umgebenden Gewebes widerstehen können. Dafür werden Elemente des Zellskeletts betont, die es erlauben, dass sich der Tumor verhärtet." Eine dritte biomechanische Eigenschaft betrifft die Fähigkeit metastierender Krebszellen die Grenze zwischen verschiedenen Geweben zu überschreiten. "Gesunde Zellen wollen normalerweise beieinander bleiben", so Käs. Metastierende Krebszellen jedoch wollen die Tumorgrenze überwinden, dazu reagieren höchst sensitiv auf mechanische Impulse und ziehen sich zusammen. Dadurch mischen sie sich sehr schnell mit anderen Zellen. Aufgrund der mit der Beweglichkeit einhergehenden Möglichkeit der Eigenkontraktion können Zellen erst den Tumorverband verlassen und metastasieren.

Die Eigenkontraktion ist die zentrale Entdeckung, die mit der Veröffentlichung in "Nature" nun der Fachöffentlichkeit präsentiert wurde. Aus diesen und bisher gewonnenen wissenschaftlichen Ergebnissen lassen sich sowohl für die Diagnostik, als auch für die Therapie wichtige neue Ansätze ableiten.

Im Umkehrschluss zu den genannten Eigenschaften untersuchen die Leipziger Forscher nun Wirkstoffe, die diese beeinflussen können und damit Möglichkeiten bieten, Krebszellen am Wachstum oder Verbreitung zu hindern: "Der Weg dorthin ist noch weit, aber wir haben nun einen relevanten Ansatz hierfür", erklärt Professor Käs. Seine Forschung wird dabei durch die BMBF-Projekte AGESCREEN und EXPRIMAGE, sowie durch die Exzellenzinitiative der DFG innerhalb der Graduiertenschule BuildMoNa unterstützt.

Der Forschungsansatz für die neuen Befunde entwickelte sich aus einem neuen Forschungsfeld, das das Fortschreiten von Krebs als einen materialwissenschaftlichen Prozess betrachtet.

Inzwischen konnten diese Erkenntnisse bereits zu einem Patent der Universität Leipzig mit dem Titel "Verfahren zur Diagnose und/oder Prognose von Krebserkrankungen durch Analyse der mechanischen Eigenschaften von Tumorzellen" angemeldet werden.

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