Neuer Mechanismus bei der Virenabwehr entdeckt
Interferon macht das spezifische Immunsystem gegen Viren mobil
Die Frage, die sich Wissenschaftler am TWINCORE in Hannover gestellt haben: Beeinflusst Interferon, das nach zwei Tagen schon nicht mehr im Blut nachweisbar ist, die spezifischen T-Killerzellen, die erst Tage später ihre Arbeit aufnehmen? Um die Antwort kurz vorweg zu nehmen: Ja, ohne Interferonreaktion bildet das Immunsystem bei bestimmten Erregern kaum spezifische Abwehrzellen aus.
Was auf den ersten Blick sehr theoretisch klingt, stellt auf den zweiten Blick die bestehenden Impfkonzepte auf den Prüfstand, denn bei der Entwicklung von Impfstoffen spielte Interferon bislang kaum eine Rolle. „Wir haben für unsere Untersuchungen einen veränderten Pockenstamm verwendet, das so genannte ‚Modifizierte Vakziniavirus Ankara’ (MVA)“, erklärt die Wissenschaftlerin Theresa Frenz. Er löst eine starke Interferon-Reaktion aus, hat im Vergleich zum klassischen Vakziniavirus-Impfstoff praktisch keine Nebenwirkungen und kann sich in Menschen und Mäusen nicht vermehren. „Wir konnten zeigen, dass gentechnisch veränderte Mäuse, die kein Interferon wahrnehmen können, kaum auf den MVA-Impfstoff reagieren“, sagt Theresa Frenz. „Interferon wirkt nach einer MVA-Impfung offenbar direkt auf T-Killerzellen und auch auf Dendritische Zellen, die die T-Zellen aktivieren.“ Beides ist nötig, damit das Immunsystem erfolgreich gegen Viren sein kann – und vor allem, damit es sich an diese Viren erinnern kann, um den nächsten Angriff schnell und effektiv zu unterdrücken: Das Prinzip von Impfstoffen.
Zusätzlich haben die Wissenschaftler die Mechanismen studiert, die Interferon in T-Zellen und Dendritischen Zellen auslösen. Das Ergebnis ist verblüffend: Die T-Zellen benötigen kein Interferon, um ihre Erstaktivierung auszulösen - diese Entscheidung übernehmen offenbar die Dentritischen Zellen. Aber ohne Interferon sterben die T-Zellen deutlich schneller ab. „Das ist deswegen so erstaunlich, weil das Interferon im Prinzip schon gar nicht mehr vorhanden ist, wenn die T-Zellen auf eine Infektion reagieren“, betont Professor Ulrich Kalinke, Leiter des Instituts für Experimentelle Infektionsforschung am TWINCORE. „Dennoch hat es Einfluss auf deren Lebensdauer.“ Und die Lebensdauer der T-Zellen kann entscheidend für das Erinnerungsvermögen des Immunsystems - und damit für die Wirkdauer einer Impfung sein. „Die Konsequenz ist: Der Entwicklungsweg für neue Impfstoffe muss damit grundsätzlich überdacht werden und Interferon muss in die Impfstoffforschung einbezogen werden“, sagt Ulrich Kalinke.
Originalveröffentlichung: Frenz T, Waibler Z, Hofmann J, Hamdorf M, Lantermann M, Reizis B, Tovey5 MG, Aichele P, Sutter G, Kalinke U (2010); "Concomitant IFNAR-triggering of T cells and of DC is required to promote maximal MVA-induced T-Cell expansion"; Eur J Immunol 40(10): 269-2777
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