Mit Züchtung, Geduld und Molekularbiologie: Forscher machen gute Erdbeeren noch besser

21.09.2010 - Deutschland

Die Erdbeere ist eine der beliebtesten Früchte in Deutschland. Für uns ist die Saison zu Ende, doch ein Forscherteam der Technischen Universität München (TUM) beschäftigt sich das ganze Jahr über mit der roten Frucht. Zusammen mit spanischen und französischen Wissenschaftlern hat eine Gruppe um Prof. Schwab vom TUM-Fachgebiet Biotechnologie der Naturstoffe dabei besonders jene Erdbeer-Gene im Visier, die für deren gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe verantwortlich sind. Sind diese Gene bekannt, können kurze Erbgutabschnitte davon als Markierung dienen, um die Gene in Früchten schnell zu finden. Mit diesem Wissen möchte das Team die Züchtung besonders gesunder Erdbeerfrüchte ermöglichen.

Ruth Habegger / TUM

Erdbeersorte "Senga sengana" mit verändertem Polyphenolgehalt.

Gesund sind Erdbeeren schon, sie enthalten zum Beispiel viel Vitamin C. Das Team um TUM-Professor Wilfried Schwab vom Fachgebiet Biotechnologie der Naturstoffe hat es auf die so genannten sekundären Inhaltsstoffe abgesehen, also chemische Verbindungen, die nur in spezialisierten Pflanzenzellen produziert werden. In der Erdbeere sind das vor allem Polyphenole. Es gibt sie in drei Untergruppen, die alle aus der gleichen Polyphenolvorstufe entstehen: Erstens Tannine - Gerbstoffe, die durch ihren herben Geschmack die Erdbeere vor Fraßfeinden schützen. Zweites Lignine - sie sind für die Festigkeit der Pflanze und ihrer Früchte verantwortlich. Und drittens Flavonoide - Farbstoffe, die die Pflanze vor UV-Strahlung schützen und in der Blüte die zur Bestäubung nötigen Insekten anlocken. Die Polyphenole sind also wahre Multitalente. Das gilt auch für unsere Gesundheit: Flavonoide etwa senken das Krebsrisiko, stärken das Immunsystem und können sogar Krankheitserreger abtöten.

Deshalb träumen europäische Züchter davon, Erdbeeren mit besonders hohen Polyphenolgehalten hervorzubringen. Das ist nicht so einfach, denn je nach Standort und Jahreszeit können die Pflanzen einer Erdbeerart ganz verschiedene Polyphenolkonzentrationen haben. Auch das Verhältnis der Polyphenolgruppen unterscheidet sich von Pflanze zu Pflanze. Bevor die Züchter arbeiten können, muss man also den Polyphenolstoffwechsel und seine Regulationsmechanismen verstehen. Hier kommt Professor Schwab ins Spiel: Züchter aus Spanien und Frankreich schicken Erdbeeren in sein Labor, um sie biochemisch analysieren zu lassen. Die TUM-Biotechnologen untersuchen im Rahmen des Forschungsprojekts FraGenomics die Gehalte der verschiedenen Polyphenolgruppen.

Diese werden in der Pflanze aufgrund bestimmter Gene hergestellt, welche an- oder ausgeschaltet sein können. Die Wissenschaftler versuchen deshalb auch Zusammenhänge zwischen den Polyphenolgehalten und der Aktivität der zugehörigen Gene zu finden. Ein erstes Zwischenergebnis hat das Team schon: Der Gesamtgehalt an Polyphenolen ist in allen Pflanzen relativ gleich, doch das Verhältnis der Untergruppen schwankt von Pflanze zu Pflanze sehr stark. Das liegt vermutlich an der gemeinsamen Vorstufe, aus der die Untergruppen gebildet werden. Schwabs Schlussfolgerung: Es ist einfacher, durch Züchtung das Verhältnis der Polyphenolkonzentrationen zugunsten weniger, ausgewählter Verbindungen zu verschieben, als den Gesamtgehalt zu erhöhen.

Schwabs Team ermittelt jetzt daher die Gene, die den besonders gesunden Polyphenolen zugrunde liegen. Sind die gefunden, können so genannte molekulare Marker entwickelt werden, die die Züchtung vereinfachen. Das Prinzip dahinter: Erdbeerpflanzen mit hohen Gehalten an gesunden Polyphenolen haben ein bestimmtes Muster in den zugehörigen Genen. Man kann im Labor kurze Erbgutabschnitte als Gegenstücke zu diesen Mustern entwickeln. Das hat Schwab vor; denn sind die Genmuster bekannt und zugehörige Marker vorhanden, könnten Züchter schnell ermitteln, welche Pflanzen besonders viele Gene für gesunde Inhaltsstoffe besitzen. Wenn man diese dann konventionell miteinander kreuzt, stünde am Ende die gesündere Erdbeere.

Doch vor der Umsetzung gibt es für die TUM-Biotechnologen noch eine Hürde: Die große Druckempfindlichkeit der Erdbeere. Ihre Stabilität hängt unter anderem von der Stärke der Zellwand ab. Die ist wiederum abhängig von stabilisierenden Zellwandbestandteilen wie Lignin. Da aber Lignin aus demselben Ausgangsstoff produziert wird, wie die gesunden Flavonoide, kann es sein, dass bei Züchtung auf besonders viel Flavonoidgehalte weniger Lignin produziert wird und die Frucht schneller matschig wird. Um diesen Nebeneffekt zu umgehen, müsste man den Gesamtgehalt von Polyphenolen erhöhen. Dazu muss das Team frühere Schritte im Stoffwechselweg analysieren.

Im Moment ist am Fachgebiet für Biotechnologie der Naturstoffe also genug zu tun. Die Erdbeerernte 2009 wurde schon genau auf Polyphenolgehalte und Genetik untersucht. Momentan sind die Tiefkühltruhen schon voll mit der Ernte von 2010. Und zwei Ernten werden noch folgen, bevor Schwab das Geheimnis der Super-Erdbeere lüften kann.

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