Pflanzen sparen Wasser per Ionenkanal

16.09.2010 - Deutschland

Einen Ionenkanal, mit dem sich Pflanzen vor dem Austrocknen schützen, haben Würzburger und Züricher Forscher entdeckt. Seine Besonderheit: Er funktioniert ähnlich wie Ionenkanäle, die bei Menschen und Tieren auftreten.

In der Haut von Pflanzen befinden sich winzige Poren. Sie lassen Kohlendioxid für die Photosynthese in die Blätter gelangen und gleichzeitig Wasser in die Umgebung entweichen. Die optimale Regulation dieser Poren ist für Pflanzen darum sehr wichtig: Bei Trockenheit soll möglichst wenig Wasser verloren gehen, aber ausreichend Kohlendioxid einströmen.

Gebildet werden die Poren von jeweils zwei Schließzellen: Sind diese prall mit Ionen und Wasser gefüllt, klaffen sie auseinander und die Pore ist offen. Erschlaffen die Zellen, geht die Pore zu. Auf ein Signal von außen öffnen sich in der Wand der Schließzellen Kanäle, durch die Ionen hinausfließen. Als Folge davon geben die Schließzellen auch Wasser ab und werden schlaff, wodurch sich die Pore zwischen den beiden Schließzellen verengt.

Es gibt verschiedene Kanäle, durch die Ionen aus Zellen hinaus gelangen. Ein langsam arbeitender Kanaltyp war bereits identifiziert; Details über einen schnell öffnenden Kanaltyp stellt nun erstmals die Zeitschrift „The Plant Journal“ vor.

Entdeckt wurde der Kanal von den Teams der Professoren Rainer Hedrich (Lehrstuhl für Molekulare Pflanzenphysiologie und Biophysik der Universität Würzburg) und Enrico Martinoia (Institut für Pflanzenbiologie der Universität Zürich). Eine Gruppe weltweit führender Pflanzenforscher, die „Faculty of 1000“, stuft ihre Arbeit als besonders lesenswert ein.

Wie es zum Nachweis des schnellen Kanals kam? Martinoia, der früher an der Uni Würzburg tätig war, wurde bei seinen Forschungen auf eine Mutante der Modellpflanze Arabidopsis (Ackerschmalwand) aufmerksam: Sie kann die Poren in ihren Blättern nicht mehr optimal auf die Kohlendioxid-Konzentration einstellen. Martinoia wandte sich an den Schließzell-Experten Hedrich, um gemeinsam mit ihm mehr über den genetischen Defekt herauszufinden.

Hedrich: „Es stellte sich heraus, dass der Defekt einen Ionenkanal in den Schließzellen betrifft, der empfindlich auf Malat reagiert.“ Malat ist das Anion der Apfelsäure und eine wichtige Verbindung nicht nur im Pflanzenstoffwechsel. Für die Schließzellen hat es eine besondere Signalfunktion: Wenn photosynthetisch aktive Zellen kein Kohlendioxid mehr verarbeiten können – etwa, weil es dunkel wird – geben sie Malat ab. Damit signalisieren sie den Schließzellen, dass sie die Poren dicht machen können, um Wasser zu sparen.

„Über den Malat-Sensor des bis dato unbekannten Kanals stellen Pflanzen also die Porenweite auf die photosynthetische Leistungsfähigkeit der Blattzellen ein“, so der Würzburger Professor, der weltweit als Experte für pflanzliche Ionenkanäle anerkannt ist. Arabidopsis-Pflanzen, bei denen der Kanal fehlerhaft ist, schaffen diese Regulation nicht mehr. Ihre Poren bleiben auch bei hoher Malat-Konzentration offen und sogar dann, wenn das Stresshormon Abscisinsäure Wassermangel meldet.

Nachdem die Gruppe von Martinoia bei der Arabidopsis-Mutante das defekte Gen aufgespürt hatte, wurde es in Würzburg kloniert und in Eier des Xenopus-Froschs übertragen. Binnen zwei Tagen hatten die millimetergroßen Eizellen so viele Pflanzenkanäle produziert und in ihre Hüllmembranen eingebaut, so dass die Wissenschaftler den Kanaltyp, dessen Verlust für die Fehlleistung der mutanten Schließzellen verantwortlich ist, mit elektrophysiologischen Messungen charakterisieren konnten.

Ionenkanäle spielen nicht nur bei Pflanzen eine Rolle, sondern auch bei der Weiterleitung der elektrischen Erregung in den Nerven- und Muskelzellen von Tieren. Der neu identifizierte Pflanzenkanal nimmt laut Hedrich hier eine Sonderstellung ein: „Wenn Malat an ihn bindet, öffnet er sich schon beim Ruhepotential der Membran und depolarisiert sie vorübergehend.“ Damit lege der Pflanzenkanal ein ähnliches elektrisches Verhalten an den Tag wie die Natriumkanäle in den Nervenzellen von Mensch und Tier.

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