Neue Netzwerke im Schlaf: Je nach Schlafphase ändert das Gehirn seine Verschaltung
Erst seit kurzem können Wissenschaftler mit Hilfe eines Elektroenzephalogramms (EEG) unterschiedliche Schlafstadien nachweisen und gleichzeitig mit funktionaler Magnetresonanztomografie (fMRT) die räumliche Aktivität der Nervenzellen messen. Auf diese Weise haben die Max-Planck-Forscher um Michael Czisch an jungen gesunden Probanden untersucht, wie sich die Aktivität des Gehirns während des Einschlafens und der verschiedenen Schlafphasen verändert. Dabei sind die Nervenzellen, die gleichzeitig aktiv sind, Teil eines gemeinsamen Netzwerkes.
Während leichten Schlafs verstärken sich allgemein die Verknüpfungen innerhalb des Gehirns, besonders aber zwischen weit entfernten Regionen. Dies legt nahe, dass sich neuronale Informationen leicht durch das ganze Gehirn ausbreiten, während lokal nur ein geringer Austausch erfolgt. Auffallend ist jedoch auch eine drastisch reduzierte Verknüpfung des so genannten Thalamus mit allen anderen Hirnarealen. Möglicherweise kann das Gehirn dadurch störende Außenwahrnehmungen während des Einschlafprozesses ausblenden, denn der Thalamus leitet externe Reize weiter. Im Gegensatz dazu sind im Tiefschlaf vor allem lokale Netzwerke von Nervenzellen aktiv. Weit entfernte Gehirnbereiche sind dagegen weitgehend abgekoppelt. In diesem Zustand wird Information vermehrt lokal ausgetauscht, nicht dagegen an entfernt gelegene Hirnregionen weitergegeben.
Diese Ergebnisse zeigen erstmalig die dynamischen Änderungen in der Netzwerkorganisation des schlafenden Gehirns. Die Wissenschaftler können so Rückschlüsse darauf ziehen, warum das Gehirn überhaupt Schlaf benötigt. "Schlaf und insbesondere der Tiefschlaf spielt eine wichtige Rolle bei der Gedächtnisbildung. Wir verarbeiten und speichern neu Gelerntes tatsächlich im Schlaf. Die Frage ist, wann genau im Schlaf solche Informationen erneut verarbeitet und wann sie als Gedächtnisspuren in speziellen Hirnregionen abgelegt werden. Unsere Ergebnisse dokumentieren nun, dass Tiefschlaf eher ein Stadium ist, in dem Gedächtnisinhalte in lokalen Netzwerken verarbeitet werden. In anderen Schlafstadien werden die Inhalte dann wahrscheinlich global weitergeleitet", erklärt Victor Spoormaker vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie.
Originalveröffentlichung: Victor I. Spoormaker, Manuel S. Schröter, Pablo M. Gleiser, Katia C. Andrade, Martin Dresler, Renate Wehrle, Philipp G. Sämann and Michael Czisch; "Development of a Large-Scale Functional Brain Network during Human Non-Rapid Eye Movement Sleep"; The Journal of Neuroscience 2010; 30(34):11379 -11387.
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