Medizin aus Moos: Menschliches Protein im Moosbioreaktor produziert

23.07.2010 - Deutschland

Diabetiker benutzen in Bakterien produziertes Insulin zur Behandlung ihrer Stoffwechselstörung. Auch sonst sind gentechnisch hergestellte Proteine in der Medizin auf dem Vormarsch: Sie werden sowohl in der Diagnose als auch in der Therapie eingesetzt. Früher wurde Insulin aus Schlachthausabfällen gewonnen, heute wird es gentechnisch in Bakterien produziert. Komplexere Proteine müssen jedoch in komplexeren Organismen synthetisiert werden. Dies geschieht meistens in Bioreaktoren mit tierischen Zelllinien. Alternativ hierzu entwickelt der Freiburger Biotechnologe Prof. Dr. Ralf Reski das Kleine Blasenmützenmoos Physcomitrella patens zu einem sicheren und kostengünstigen Medizinlieferanten.

Thomas Kunz

Der Moosbioreaktor produziert Medikamente.

Nun gelang es seiner Gruppe unter Leitung von Dr. Eva Decker erstmals, im Moosbioreaktor ein menschliches Protein zu produzieren, dessen Fehlen bei 50 Millionen Menschen zu altersbedingter Blindheit führt. Es bekam von den zuständigen EU Behörden den Status eines Arzneimittels für seltene Leiden zugesprochen. Dieser offizielle „orphan drug“-Status bedeutet, dass Entwicklung und Zulassung solcher Arzneimittel behördlich besonders gefördert werden. Bei vielen Menschen nimmt die Menge dieses Proteins im Alter ab - mit schwerwiegenden Konsequenzen. „Mit dem Komplementfaktor H haben wir im Moos ein Protein produziert, das sonst im Blut vorkommt und wichtig ist für das Immunsystem“, sagt Eva Decker. „Eine zu geringe Menge dieses Proteins bei älteren Menschen ist die Hauptursache der altersabhängigen Makuladegeneration (AMD), die besonders in Industrieländern ein Problem ist.“

Biochemiker vom Freiburger Zentrum für Biosystemanalyse um Dr. Andreas Schlosser zeigten mithilfe von Hochleistungs-Massenspektrometern, dass der vom Moos produzierte Faktor H vollständig vorliegt. Infektionsbiologen vom Hans-Knöll-Institut in Jena um Prof. Dr. Peter F. Zipfel wiesen nach, dass Faktor H aus Moos im Biotest voll funktionstüchtig ist. „Da es Faktor H gegenwärtig nicht in der Apotheke zu kaufen gibt, ist eine Behandlung der AMD mit diesem Protein nicht möglich“, sagt Peter Zipfel. „Bisher konnte man Faktor H kaum gentechnisch produzieren. Ich bin überzeugt, dass der Moosbioreaktor hierfür erstmals eine interessante Option bietet.“

„Es wird aber noch dauern, bis es Medikamente aus Moos in der Apotheke zu kaufen gibt“, sagt Ralf Reski, Mitglied im Innovationsrat Baden-Württemberg. „Mit Methoden der Systembiologie und der Synthetischen Biologie optimieren wir den Moosbioreaktor weiter. Die Durchführung klinischer Studien und der Aufbau einer industriellen Produktion sind jedoch langwierig und teuer. Deshalb sind sie Aufgabe von Unternehmen, nicht der universitären Forschung.“

Die Arbeiten wurden gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, der Freiburger Initiative für Systembiologie und dem Exzellencluster BIOSS.

Originalveröffentlichung: Annette Büttner-Mainik et al.; "Production of biologically active recombinant human Factor H in Physcomitrella"; Plant Biotechnology Journal 2010

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Diese Produkte könnten Sie interessieren

Biostat STR

Biostat STR von Sartorius

Biostat STR Bioreaktoren der Generation 3

Entwickelt für ultimative Upstream-Leistung

Bioreaktoren
Ambr® 250 Modular

Ambr® 250 Modular von Sartorius

Mini-Bioreaktoren für Zell- und Gentherapien mit hoher Skalierbarkeit

Maximieren Sie Ihre Prozessentwicklung mit zuverlässigen Einweg-Gefäßen

Bioreaktoren
Ambr® 250 HT Consumables

Ambr® 250 HT Consumables von Sartorius

Effiziente Bioprozesse mit Einweg-Bioreaktoren

Minimieren Sie Reinigungsaufwand und maximieren Sie Flexibilität für Zell- und Mikrobiolkulturen

Bioreaktoren
Brooks Instrument SLA Biotech-Serie

Brooks Instrument SLA Biotech-Serie von Brooks Instrument

Steuern Sie Bioprozesse effizient und präzise mit Durchflussreglern für Biotechnologie-Anwendungen

Die SLA Biotech-Serie ist speziell auf die Anforderungen in Bioprozessen hin entwickelt worden

Massendurchflussregler
SLAMf Biotech-Serie Massendurchflussregler

SLAMf Biotech-Serie Massendurchflussregler von Brooks Instrument

SLAMf Durchflussregler mit robustem Gehäuse (IP66 / NEMA 4X)

Spezielle Ausstattung für Biotech-Prozessanlagen, geeignet für Spritzwasser und Hochdruckreinigung

Massendurchflussregler
Flexcell Systems

Flexcell Systems von Dunn

Flexcell Zelldehnungsbioreaktoren für zelluläre Biomechanik-Anwendungen

Weltweit in über 1300 Laboratorien eingesetzt und in über 4000 Forschungspublikationen zitiert

Bioreaktoren
Loading...

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

So nah, da werden
selbst Moleküle rot...