Identität Königin Edithas bestätigt
Ergebnisse der Forschergruppe machen Authentizität der Gebeine von Königin Editha höchst wahrscheinlich
"EDIT REGINE CINERES HIC SARCOPHAGVS HABET ..." ("Die geborgenen Reste der Königin Edith sind in diesem Sarkophag ...") - die Inschrift von 1510 scheint nun bestätigt. In dem Bleisarg, der Ende 2008 bei der Forschungsgrabung im Magdeburger Dom unter der Leitung von Rainer Kuhn (Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt) im angeblichen Kenotaph der Editha aufgefunden wurde, sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tatsächlich die sterblichen Überreste der Königin zur vorerst letzten Ruhe gebettet worden.
Nach der Bergung der Bestattung wurden umfangreiche Untersuchungen in verschiedenen Labors in Deutschland und England durchgeführt, die nun die Zuweisung mehr als wahrscheinlich machen. Aufgrund der hohen, auch internationalen Bedeutung des Fundes wurde eine Forschergruppe aus anerkannten Experten zu den verschiedenen Fundgruppen, wie Knochen, Textilien, Metalle, Pflanzen- und Insektenresten zusammengestellt. Die grundlegenden naturwissenschaftlichen Untersuchungen sind beendet – nun können zentrale Fragen beantwortet werden. Die vordringlichste davon: Befinden sich im Sarg tatsächlich die Gebeine der Königin Editha, der Enkelin Alfreds des Großen, des berühmtesten sächsischen Königs von England? Editha war im Alter von 19 Jahren aus Wessex nach Magdeburg gekommen, wo sie Otto den Großen heiratete und 946 im Alter von 36 Jahren verstarb. Beigesetzt wurde sie historischen Quellen zufolge ursprünglich im Mauritiuskloster in Magdeburg.
Die Strontium- und Sauerstoffisotopenanalyse, die anhand der in den Knochen abgelagerten chemischen Signale Auskunft über die Aufenthaltsorte der untersuchten Person geben kann, hat bemerkenswerte Ergebnisse zur Lebensgeschichte der bestatteten Frau erbracht. Isotopenuntersuchungen wurden in zwei Laboren, an der Universität Mainz durch Corina Knipper und der Universität Bristol durch Dr. Alistair Pike durchgeführt. Beide gelangten unabhängig voneinander zum gleichen Ergebnis: Die Frau, die im Edithasarg bestattet wurde, ist im südenglischen Wessex in der Gegend von Winchester aufgewachsen. Die Untersuchungen in Bristol konnten zudem durch die Anwendung der speziellen Technik der Laser Ablation dieses Ergebnis noch präzisieren: "Gemessen wurden die Strontium-Isotope in winzigen Proben des Zahnschmelzes. Diese Mikro-Beprobung", so Alistair Pike, "erlaubt es uns, an den Sequenzen jahresringgleich die Aufenthaltsorte der untersuchten Personen bis zu einem Alter von 14 Jahren zu ermitteln."
Aufgrund des hohen Fischanteils in der Nahrung, der die Zusammensetzung der Kohlenstoffisotopen im Knochen beeinflusst, trat bei der C14-Datierung der Kollagenproben die bereits im Vorfeld vermutete Abweichung des Datensatzes auf: Beide Labore, Kiel (Leibniz-Labor für Altersbestimmung und Isotopenforschung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Prof. Dr. P. M. Grootes und Dr. J.-M. Nadeau) und Mannheim (Klaus-Tschira-Labor für Physikalische Altersbestimmung, Dr. B. Kromer), kamen grundsätzlich zum selben Ergebnis: Die Proben erscheinen ca. 200 Jahre älter als das von Editha überlieferte Todesdatum, was sehr gut durch die genannten Ernährungsgewohnheiten erklärt werden kann.
Die C14-Analysen der Textilien aus dem Leibniz-Labor der Universität Kiel sprechen für eine mehrfache Umbettung. Mehrere Lagen von Stoffresten konnten beprobt und so mit verschiedenen Wiederbestattungen in Verbindung gebracht werden. Die dabei erzielten Daten decken genau diesen Zeitraum zwischen dem 10. bis 16. Jahrhundert ab. Dr. Heinrich Wunderlich, Leiter der Restaurierungsabteilung des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie in Halle, hat die Farbstoffe der verwendeten Textilien untersucht: Einige Stoffe wurden mit Kermes rot gefärbt, dem wertvollsten Farbstoff des Mittelalters. Dies und die Tatsache, dass es sich zum Teil um höchstwertiges seidenes Samitgewebe handelt, weisen eindeutig auf eine königliche Bestattung hin. Das Blei des Sargs wurde im Harz gewonnen, vermutlich am Rammelsberg bei Goslar. Im Sarg fanden sich zwischen Knochen und Textilien zahlreiche Insektenreste, bei denen vor allem das massenhafte Vorkommen des Laufkäfers Harpalus rufipes auffällig ist. Diese Käfer müssen durch Fackelschein oder eine ähnliche Beleuchtung und den hellen Stoff im Bleisarg angelockt worden sein, als dieser zumindest für kurze Zeit vor der Umbettung 1510 nachts offen im Freien gestanden hatte. Ebenfalls im Inneren wurden Haferkörner entdeckt, die offenbar von einem mit Textil ummantelten Spelzenkissen stammen, auf dem die Tote gebettet wurde. Kleine Fragmente des Sadebaums belegen, dass die Verstorbene mit immergrünen Zweigen von dieser für mittelalterliche Klostergärten bedeutsamen Zier- und Heilpflanze geschmückt worden war. Es scheint, als wäre die Verstorbene auch zur Umbettung 1510 noch einmal besonders geehrt worden und in ihrer Stadt und Gemeinde hoch angesehen gewesen.
Eine Vielzahl voneinander unabhängiger Indizien, wie die biologischen Merkmale, Lage und Ort der Bestattung, die Inschrift auf dem Bleisarg sowie die hohe Qualität der gefundenen Textilreste reihen sich aneinander und verdichten so den zu beweisenden Sachverhalt. Die wichtigste Frage ist beantwortet, doch die Forschung zur Bestattung der Königin und deren Kontext wird die interdisziplinäre Expertengruppe sicherlich auch die nächsten Jahre noch beschäftigen.