Nicht Salzstreuer, sondern Reißbrett: Die kluge Anordnung von Bakteriengenen

"Die Ergebnisse haben uns wirklich überrascht"

15.04.2025
HHU / Xiao-Pan Hu

Bei der Verdopplung des bakteriellen Chromosoms liegen Gene nahe dem Startpunkt der DNA-Verdopplung (rot) in mehreren Kopien vor, während Gene nahe dem Endpunkt (blau) nur einfach vorhanden sind. Je schneller das Wachstum, desto stärker wird dieser Effekt: Gene nahe dem Ursprung können dann gleichzeitig von bis zu acht Kopien abgelesen werden. Abhängig davon, wie stark der Bedarf an einem bestimmten Gen mit der Wachstumsrate zunimmt, verschiebt die natürliche Selektion das Gen an eine passende Stelle auf dem Chromosom, um diesen Dosiseffekt auszunutzen.

Die Gene im bakteriellen Erbgut sind sinnvoll geordnet, wie Bioinformatiker von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) und der Universität im schwedischen Linköping festgestellt haben. In der Fachzeitschrift Science beschreiben sie, dass die Gene nach ihrer Funktion angeordnet sind: Werden sie bei schnellerem Wachstum wichtiger, liegen sie nahe am Startpunkt des Replikationsvorgangs. Ihre Position bestimmt also, wie aktiv sie in Abhängigkeit von der Wachstumsrate sind.

Sind die Gene auf dem Chromosom von Bakterien zufällig verteilt, wie mit einem Salzstreuer? Mit dieser von den meisten Forschenden vertretenen Meinung bricht ein Team von Bioinformatikern um Prof. Dr. Martin Lercher, Leiter der Arbeitsgruppe für Computational Cell Biology an der HHU. 

Wenn Bakterien ihr Erbgut replizieren – zum Beispiel, wenn sie sich bei der Vermehrung teilen –, so startet der Vorgang an einer bestimmten Stelle des bakteriellen Chromosoms. Von dort aus setzt sich der Vorgang in zwei Richtungen fort. 

Dr. Xiao-Pan Hu von der HHU, Erstautor der jetzt in Science erschienenen Studie: „Während dieses Prozesses gibt es vorübergehend mehr Kopien von Genen, die näher am Startpunkt liegen, als von solchen, die weiter entfernt sind. Somit können Gene in der Nähe des Startpunkts häufiger abgelesen werden.“

„Wir haben festgestellt, dass dies vor allem für das Zellwachstum wichtige Gene sind. Etwa solche, deren Produkte die Proteine der Bakterien zusammenbauen“, ergänzt Prof. Lercher, Korrespondenzautor der Studie. Gene, die in den Wachstumsphasen kaum gebraucht werden, finden sich dagegen meist an den entgegengesetzten, spät duplizierten Enden des Chromosoms.

Die Forschenden nutzten bioinformatische und mathematische Methoden, um in über 900 verschiedenen Bakterienarten die Position von mehr als 4.400 Genfamilien zu analysieren. Sie fanden, dass die Anordnung der Gene auf dem Chromosom durch evolutionären Druck entstanden sein muss. Denn diejenigen Bakterien haben einen evolutionären Vorteil, die aufgrund optimal platzierter Gene besonders schnell wachsen können.

Dr. Hu: „Wir verstehen nun besser, wie Bakterien ihre Gene steuern. Die Ergebnisse haben uns wirklich überrascht. Sie erklären aber hervorragend einen wichtigen Aspekt der bakteriellen Evolution: Die richtige Positionierung im Genom verschaffte den heute existierenden Bakterien einen Vorteil vor ihren Konkurrenten.“ 

Lercher zu den weiteren Anwendungsmöglichkeiten: „Dieses Verständnis kann auch helfen, effizientere künstliche Bakterien beispielsweise für biotechnologische oder medizinische Anwendungen zu designen, deren Eigenschaften optimal auf ihren Einsatzzweck angepasst sind.“

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