Synthetische Zellen ahmen natürliche Zellkommunikation nach
Forschende haben zwei Arten synthetischer Protozellen erzeugt, die miteinander kommunizieren können
University of Basel, Olivia Fischer
Leben ist Kommunikation: Vom Bakterium bis zum mehrzelligen Organismus sind Lebewesen darauf angewiesen, dass ihre Zellen Signale senden, empfangen und verarbeiten können. Erstmals ist es Forschenden gelungen, die natürliche Zellkommunikation mit synthetischen Zellen nachzubilden. Ein Team um Prof. Dr. Cornelia Palivan von der Universität Basel und Nobelpreisträger Prof. Dr. Ben Feringa von der Universität Groningen berichtet davon im Fachjournal «Advanced Materials».
Palivan und ihre Mitarbeitenden forschen an winzigen Behältern aus Polymeren, die sie mit bestimmten Molekülen beladen, um sie dann gezielt wieder zu öffnen. In ihrer aktuellen Arbeit geht das Team noch einen Schritt weiter: «Wir haben Nanocontainer ins Innere von Mikrocontainer gepackt», erklärt Palivan. Damit ahmen die Forschenden Zellen mit Zellorganellen nach. Solche stark vereinfachte, synthetische Zellen werden auch als Protozellen bezeichnet.
In ihrer Publikation beschreiben die Forschenden ein System von Protozellen aus Polymeren, Biomolekülen und weiteren Nanokomponenten, das der Signalübertragung in der Netzhaut des Auges nachempfunden ist: Es besteht aus lichtempfindlichen Protozellen, den «Sendern», auf der einen und Empfänger-Protozellen auf der anderen Seite.
Licht an
Die Senderzellen enthalten Nanocontainer, quasi künstliche Organellen, in deren Membranen spezielle lichtempfindliche Moleküle, sogenannte molekulare Motoren, sitzen. Dank diesen können die Forschenden die Kommunikation zwischen den beiden Zellen mit einem Lichtimpuls in Gang setzen: Erreicht das Licht die Senderzelle, öffnen die lichtempfindlichen Moleküle die Nanocontainer, die daraufhin ihren Inhalt – nennen wir ihn Substanz A – in das Innere der Senderzelle abgeben.
Die Substanz A kann daraufhin die Senderzelle durch Poren in ihrer Polymerhülle verlassen, durch die Flüssigkeit, in der sich die Protozellen befinden, die Empfängerzelle erreichen und von dieser – ebenfalls durch Poren – aufgenommen werden. Hier trifft die Substanz auf andere künstliche Organellen mit einem Enzym. Dieses Enzym wiederum wandelt Substanz A in ein Fluoreszenzsignal um. Die Forschenden erkennen am Leuchten, dass die Signalübertragung zwischen Sender und Empfänger funktioniert hat.
Kalzium-Ionen dimmen Fluoreszenzsignal
Bei den Lichtsinneszellen in der Netzhaut, die als Vorbild dienten, spielen auch Kalzium-Ionen eine wichtige Rolle: Sie dämpfen die Reizübertragung auf die nachgeschalteten Zellen und ermöglichen dem Auge damit, sich an helles Licht zu gewöhnen. Analog dazu konstruierten die Forschenden die künstlichen Organellen der Empfängerzellen so, dass sie auf Kalzium-Ionen reagieren, und die Umwandlung von Substanz A in ein Fluoreszenzsignal gehemmt wird.
Basis für synthetische Gewebe
«Wir konnten mit einem äusseren Lichtimpuls eine Organellen-basierte Signalkaskade auslösen und mit Kalzium-Ionen modulieren. Ein solch zeitlich und räumlich kontrollierbares System nach dem Vorbild natürlicher Zellkommunikation zu erzeugen, ist ein Novum», betont Cornelia Palivan.
Zum einen legen die Forschenden mit ihrer Entwicklung den Grundstein, um komplexere Kommunikationsnetzwerke lebender Zellen synthetisch nachzubauen und dadurch besser zu verstehen. Zum anderen bietet sich die Möglichkeit, Kommunikationsnetzwerke zwischen synthetischen und natürlichen Zellen zu schaffen und damit eine Schnittstelle zwischen ihnen zu entwickeln. Langfristig wären auf dieser Basis auch therapeutische Anwendungen denkbar, etwa um Krankheiten zu behandeln, aber auch um Gewebe mit synthetischen Zellen zu entwickeln.