Adipositas: Gesundheitliche und soziale Folgen hängen vom Wohnort ab

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass zumindest einige der negativen Folgen von Adipositas sozial konstruiert erscheinen und daher reduziert werden können"

09.10.2024
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Symbolbild

Adipositas, auch Fettleibigkeit genannt, kann schwerwiegende soziale, sozio­ökonomische und gesundheitliche Folgen haben. Eine neue Studie zeigt, dass die Probleme weniger schwerwiegend sind, wenn die Betroffenen in Gegenden leben, in denen Adipositas verbreitet ist.

Ein Forschungs­team unter der Leitung von Dr. Jana Berkessel vom Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) der Universität Mannheim unter­suchte den Einfluss des regionalen und kulturellen Kontexts auf die Folgen von Adipositas. Dafür sammelten die Forschenden Archivdaten von mehr als 3,4 Millionen Menschen aus den USA und dem Vereinigten Königreich. Die Studien­autor*innen fanden heraus, dass in Regionen mit hoher Adipositasrate die negativen Konsequenzen für die Betroffenen schwächer sind, was teilweise auf eine geringere Stigmatisierung zurückzuführen sein könnte. Die Ergebnisse der Studie wurden in der US-amerikanischen Fach­zeitschrift Psychological Science veröffentlicht.

Bisherige Forschung hat gezeigt, dass adipöse Menschen häufiger arbeits­los sind, weniger Freund*innen haben und eine schlechtere physische und mentale Gesundheit aufweisen. Sie erleben außerdem Vorurteile und Diskriminierung. „Wir haben uns gefragt, ob diese Nachteile in manchen kulturellen Kontexten stärker ausgeprägt sind als in anderen“, so Berkessel. Ihre Unter­suchung zeigt, dass die Folgen der Adipositas vom Wohnort abhängen: In Regionen mit niedriger Adipositasrate sind Betroffene häufiger arbeits­los im Vergleich zu denen, die in Gebieten mit hoher Adipositasrate leben. Auch ihre Gesundheit ist weniger stabil.

„Es ist nachvollziehbar, dass Menschen mit Adipositas in Regionen mit niedrigen Adipositasraten stärker auffallen und deshalb ganz andere soziale Erfahrungen im Alltag machen“, erklärt Berkessel. Sie forscht schwerpunktmäßig über die Effekte sozialer Kontexte auf unser Wohlbefinden. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass zumindest einige der negativen Folgen von Adipositas sozial konstruiert erscheinen und daher reduziert werden können“, fasst sie zusammen.

Laut der World Health Organization (WHO) hat sich die Häufigkeit von Adipositas von 1975 bis 2021 weltweit fast verdreifacht. Allein in den USA belaufen sich die durch Adipositas verursachten Gesundheitskosten auf rund 147 Milliarden Dollar jährlich. Die Adipositasrate variiert jedoch stark zwischen Staaten und Regionen: In manchen Teilen der USA leben mehr als 50 Prozent der Bevölkerung mit Adipositas, während in anderen Regionen die Rate bei fünf Prozent liegt.

Für ihre Studie haben die Forschenden drei große Datensätze von Menschen unter­sucht, die in den USA und Großbritannien leben. Die Daten beinhalteten Informationen über Gewicht, Größe, Wohnort sowie soziale, gesundheitliche und wirtschaft­liche Details der Teilnehmenden. Besonders hohe Adipositasraten fanden sich in den USA im mittleren Westen, in den Südstaaten und in Teilen entlang der Ostküste. Unter­durchschnittliche Raten waren dagegen in New England, Florida und den westlichen Bundes­staaten wie Kalifornien zu finden. Im Vereinigten Königreich waren besonders der Norden und der zentrale Teil des Landes betroffen. Die geringsten Raten wies der Süden inklusive London auf.

Das Forschungs­team unter­suchte auch die Einstellungen der Teilnehmenden zum Thema Gewicht. Sie stellten fest, dass die Voreingenommenheit gegenüber Adipositas in Gebieten mit hohen Adipositasraten am geringsten war. Das könnte erklären, warum Menschen mit Adipositas in diesen Gebieten seltener alleinstehend sind und eine bessere Gesundheit berichten als vergleichbare Personen in Regionen mit geringer Adipositasrate.

Die Co-Autoren der Veröffentlichung sind Prof. Dr. Jochen E. Gebauer von der Universität Mannheim, Prof. Dr. Tobias Ebert von der Universität St. Gallen und Prof. Dr. Peter J. Rentfrow von der University of Cambridge.

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