Wie KI hilft, die Forschungslücke zwischen Tier und Mensch zu schließen

Wissenschaftliche Analyse der molekularen Mechanismen von COVID-19

27.09.2024
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Symbolbild

Die Übertragbarkeit von Ergebnissen aus Tiermodellen auf den Menschen ist immer noch eine zentrale Herausforderung in der medizinischen Forschung. Die sogenannte „translationale Lücke“ verhindert oft eine erfolgreiche Umsetzung vielversprechender präklinischer Erkenntnisse in klinische Anwendungen. In einer gemeinsamen Forschungsarbeit der Universität Leipzig und der Charité – Universitätsmedizin Berlin haben Wissenschaftler:innen mit Hilfe von künstlicher Intelligenz einen Ansatz entwickelt, der molekulare Mechanismen der COVID-19-Erkrankung bei Mensch und Tier vergleicht. Die Ergebnisse sind aktuell im Journal „The Lancet – eBioMedicine“ veröffentlicht worden.

Die Übertragung von Erkenntnissen aus Tiermodellen auf den Menschen ist für die Entschlüsselung von Krankheitsmechanismen und die Entwicklung präziser therapeutischer Strategien unerlässlich. Die hochauflösende Methode der Einzelzell-RNA-Sequenzierung ermöglicht es, Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Mensch und Tiermodell auf molekularer und zellulärer Ebene mit beispielloser Genauigkeit aufzudecken. Es gibt aber nur wenige computergestützte Methoden, die einen detaillierten Abgleich dieser wertvollen Daten ermöglichen. Wissenschaftler:innen des Instituts für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie und des ScaDS.AI der Universität Leipzig sowie der Klinik für Pneumologie, Beatmungsmedizin und Intensivmedizin der Charité haben in einer aktuellen Forschungsarbeit ein auf neuronale Netze gestütztes KI-Modell für die COVID-19-Erkrankung geschaffen. Dafür nutzten sie Blutdaten von Menschen sowie verschiedener Hamsterarten mit mittelschwerem oder schwerem COVID-19 und glichen diese auf molekularer Ebene ab. 

„Wir haben gezeigt, dass die translationale Lücke zwischen Tiermodellen und Patientinnen und Patienten durch die Integration von robusten Deep-Learning-Modellen in Kombination mit biologisch fundierten Analysen verkleinert werden kann. Die KI lernt systematisch die molekularen Unterschiede zwischen Tier und Mensch und kann dann molekulare Muster des kranken Tiers in entsprechende Muster des Menschen übersetzen, also gewissermaßen die Daten des Tiermodells humanisieren“, erklärt Dr. Holger Kirsten, Wissenschaftler am Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie der Universität Leipzig und Korrespondenzautor der aktuellen Studie. 

Ergebnisse stehen im Einklang mit Daten aus der Pandemie

„Wir konnten zeigen, dass sich die Aktivierung des Immunsystems bei moderaten COVID-19-Verläufen zwischen Syrischen Hamstern und Menschen stark ähnelt, insbesondere wenn man Monozyten betrachtet“, sagt Dr. Geraldine Nouailles, Arbeitsgruppenleiterin an der Klinik für Pneumologie, Beatmungsmedizin und Intensivmedizin der Charité und ebenfalls Korrespondenzautorin der Studie. Monozyten sind Vorläuferzellen der sogenannten Makrophagen, der Fresszellen des Immunsystems. „Wenn wir schwere Verläufe untersuchen wollen, schauen wir dagegen am besten auf die Neutrophilen von Roborovski-Hamstern“, sagt die Wissenschaftlerin. „Diese besonders schnell reagierenden Immunzellen verhalten sich bei dieser Hamsterart und dem Menschen besonders ähnlich.“ Die Ergebnisse stehen im Einklang mit Pandemiebeobachtungen, die anhand der Daten von Patient:innen gewonnen wurden.  

„Solche Vergleiche von Einzelzell-RNA-Sequenzierungsdaten sind gut geeignet, um Ähnlichkeiten und Unterschiede auf molekularer und zellulärer Ebene bei Tier und Mensch aufzudecken, die weit über die COVID-19-Forschung hinausgehen“, sagt Holger Kirsten. Geraldine Nouailles resümiert: „Unsere entwickelte Methodik ermöglicht eine bessere Identifikation geeigneter Tiermodelle für menschliche Erkrankungen, beziehungsweise welche Stadien der Erkrankung sich einander entsprechen. Das kann die Entwicklung und Testung therapeutischer Interventionen verbessern und den Translationsprozess von präklinischen zu klinischen Studien optimieren.“

In der Zukunft plant das Leipziger Forschungsteam, diese Methodik weiterzuentwickeln und auf andere Tiermodelle anzuwenden, die für die Untersuchung der Wirksamkeit und Sicherheit von immunmodulierenden Therapien im Menschen verwendet werden. Ein Beispiel hierfür ist die CAR-T-Zelltherapie, eine vielversprechende Behandlungsmethode für bestimmte Krebsarten.

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