Interzellulärer Mitochondrientransfer stärkt Krebsimmuntherapien

Neue Plattform zur Krebsbekämpfung

17.09.2024
Cell 2024, 10.1016/j.cell.2024.08.029

Links: Feldemissions-Rasterelektronenmikroskopie zeigt einen Nanotube, der eine Knochenmark-Stromazelle mit einer T-Zelle verbindet. Rechts: Konfokale Mikroskopie zeigt Mitochondrien (roter Fluoreszenzfarbstoff), die über den Nanotube zur T-Zelle reisen.

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Luca Gattinoni vom Leibniz-Institut für Immuntherapie (LIT) hat eine innovative Plattform für den Mitochondrientransfer entwickelt, um CD8+ T-Zellen zu stärken, sodass sie Erschöpfung überwinden und Tumorzellen effektiver bekämpfen können.

Krebsimmuntherapien, die das Immunsystem eines Patienten nutzen, um Krebszellen anzugreifen, revolutionieren die Art und Weise, wie wir Patienten behandeln. Immunzellen können Tumore auf verschiedene Weise lokalisieren, angreifen und sich an ihre Umgebung anpassen. Allerdings kann Immunzellen, als „lebenden Medikamenten“, irgendwann der Treibstoff ausgehen, sie erschöpfen und verlieren ihre Fähigkeit Krebs zu bekämpfen. Mitochondrien sind die primären Energiequellen von Zellen und ihr Verlust oder ihre Dysfunktion kann zur Erschöpfung der Immunzellen führen. Neue Forschungen haben gezeigt, dass Mitochondrien nicht fest an eine Zelle gebunden sind, sondern sich zwischen Zellen bewegen können. So kann Energie wieder aufgeladen, das Zellverhalten verändert und die Lebensdauer der Zellen verlängert werden.

Mitochondrientransfer als neue Plattform zur Krebsbekämpfung

In einer neuen Studie, die in der Zeitschrift Cell veröffentlicht wurde, entdeckte das Team von Prof. Gattinoni, dass Mitochondrientransfer zwischen Knochenmark-Stromazellen (BMSCs) und T-Zellen stattfindet, die Krebs- und infizierte Zellen bekämpfen. Hochauflösende Bildgebung zeigte, dass Mitochondrien durch winzige Tunnel, sogenannte Nanotubes, wandern und eine Brücke zwischen den Zellen bilden. T-Zellen, die Spender-Mitochondrien aufnahmen, wurden aufgeladen, vermehrten sich stärker, infiltrierten den Tumor effizienter und zeigten weniger Anzeichen von Erschöpfung als T-Zellen, die keine Mitochondrien aufnahmen.

„Der Mitochondrientransfer als technologische Plattform ist einzigartig, weil wir, anstatt ein einzelnes spezifisches Gen oder einen bestimmten Signalweg zur Verbesserung der Mitochondrien in den Zellen anzuvisieren, ganze intakte Mitochondrien-Organellen übertragen. Dieser Prozess ist vergleichbar mit Organtransplantationen – wie Herz-, Leber- oder Nierentransplantationen –, jedoch auf mikroskopischer Ebene, bei dem Organellen zwischen Zellen übertragen werden, um deren Funktion zu verbessern“, erklärt Dr. Jeremy Baldwin, Hauptforscher der Studie. „Es war spannend zu sehen, dass dieser eine Ansatz viele der aktuellen Herausforderungen bei T-Zell-Therapien angeht, wie z. B. die geringe Vermehrung von T-Zellen, eine zu kurze Lebensdauer, unzureichende Tumorinfiltration und das Fehlen einer anhaltenden antitumoralen Wirkung“, ergänzt Prof. Gattinoni.

Das Team setzte seine Mitochondrientransfer-Technik erfolgreich bei einer Vielzahl von T-Zell-Therapieplattformen ein, darunter CAR- und TCR-modifizierte T-Zellen sowie Tumor-infiltrierende Lymphozyten (TILs). „Wir haben zuvor beobachtet, dass Krebszellen sich dem Angriff von Immunzellen entziehen können, indem sie Mitochondrien von Immunzellen kapern. Jetzt zeigen wir, dass wir dies durch die Nutzung des Mitochondrientransfers für therapeutische Zwecke kontern können“, kommentiert Professor Shiladitya Sengupta von der Harvard University, Co-Autor der Studie.

Ein langer Weg trägt Früchte

Prof. Luca Gattinoni begann diese Forschungsreise während seiner Zeit am National Cancer Institute (NCI), nachdem er 2016 den NCI Flex Award erhalten hatte, um das Phänomen des Mitochondrientransfers zu Immunzellen zu erforschen. Er setzte dieses ehrgeizige Projekt fort, als er sein Labor mit der großzügigen Unterstützung des Clinic & Laboratory Integration Program (CLIP) des Cancer Research Institute (CRI) ans LIT nach Deutschland verlegte. „Ich kann das erfüllende Gefühl, zu sehen, wie sich die eigene Forschung im Laufe der Jahre entwickelt – von der ersten Entdeckung unter dem Mikroskop, die den Transfer belegte, bis hin zur Entwicklung in reale Anwendungen –, nicht in Worte fassen“, bemerkt Prof. Gattinoni. Forschung geschieht jedoch nicht in Isolation und das Projekt hatte viele Mitwirkende von führenden Instituten weltweit (einschließlich National Institute of Health (NIH), Harvard University, San Raffaele University, ETH Zürich und FAU Erlangen-Nürnberg), die alle ihre einzigartigen Fähigkeiten und Kernkompetenzen einbrachten, um die Forschungsziele zu erreichen.

Was sind die nächsten Schritte?

Zukünftige Arbeiten werden sich darauf konzentrieren, die Technologie auf klinisch relevante Zellmengen zu skalieren. Das Team hat bereits begonnen, wichtige Faktoren zu identifizieren, die den Mitochondrientransfer regulieren, wie zum Beispiel Talin 2, ein Molekül, das an der Bildung der winzigen Brücken beteiligt ist, die die Zellen verbinden. Weitere Bemühungen werden darin bestehen, einen Ersatzmarker für die label-freie Zellanreicherung zu finden und BMSC-Subgruppen, sogenannte „Super-Spender“, zu identifizieren, die hauptsächlich für den Mitochondrientransfer verantwortlich sind. „Diese Entdeckung verändert schnell unser grundlegendes Verständnis biologischer Systeme. Ich bin gespannt zu sehen, wie sich das Feld weiterentwickelt und wie wir diese Prozesse nutzen können, um Patienten zu helfen“, schließt Prof. Philipp Beckhove, Wissenschaftlicher Direktor des LIT und Mitautor der Studie.

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