Ein Gen für bipolare Störung

Mäuse mit einer Genveränderung, wie sie auch beim Menschen auftreten kann, verhalten sich manisch

04.09.2024
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Symbolbild

Das Gen Adenylylcyclase 2 tritt in Zusammenhang mit bipolaren Störungen auf. Doch der Nachweis eines kausalen Zusammenhangs fehlte bislang. Den liefern nun Forschende vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie: Sie wiesen erstmals nach, dass Mäuse mit einer Risikovariante des Gens Verhaltensveränderungen zeigen, die an Symptome einer manischen Phase bei einer bipolaren Störung erinnern. Die Mutation tritt wahrscheinlich auch beim Menschen auf. Die Erkenntnis könnte einen Ansatzpunkt für neue, wirksamere und individuellere Therapien bilden.

Bipolare Störungen sind meist schwer zu behandeln. Verschiedene Gene stehen in Verdacht, Menschen anfälliger für die Erkrankung zu machen. Forschende um Gruppenleiter Jan Deussing wollten wissen, welche Funktion das Risikogen Adenylylcyclase 2 in diesem Zusammenhang hat. Sie nutzten Zellkulturen und Mäuse, um die dahinterliegenden molekularen Prozesse zu verstehen.

In Zellkulturexperimenten konnten sie zunächst zeigen, dass die Risikovariante der Adenylylcyclase 2 zu einer verminderten Fähigkeit der Produktion des für die Informationsübertragung innerhalb der Zelle wichtigen Signalmoleküls cAMP führt. Darauf aufbauend riefen sie bei in Tierversuchen an Mäusen künstlich die entsprechende Adenylylcyclase 2-Mutation hervor. Tatsächlich zeigten die Nager daraufhin Manie-ähnliches Verhalten in Form von erhöhter Aktivität, einem stärkeren Explorationsverhalten und einer aktiveren Annäherung an eine neue Umgebung. Gleichzeitig waren ihre kognitiven Fähigkeiten eingeschränkt; eine Begleiterscheinung der bipolaren Störung, wie man sie auch beim Menschen beobachtet.

Überempfindlichkeit für Amphetamin

Weitere Hinweise auf den Zusammenhang mit der psychiatrischen Erkrankung lieferte die übermäßige Empfindlichkeit der Nagetiere auf Amphetamin. Wie bei Menschen führte die Gabe bei den Tieren zu Hyperaktivität. Außerdem war die Dopaminausschüttung im Gehirn der Mäuse erhöht – ein weiterer Effekt, der ähnlich auch bei Menschen auftritt, die an einer bipolaren Störung leiden.

Eine Theorie zur Erklärung von Manien beim Menschen basiert auf der erhöhten Dopaminausschüttung. Zudem scheint die Balance zwischen aktivierenden und hemmenden neuronalen Netzwerken gestört zu sein. Bei den Mäusen beobachteten die Forschenden ebenfalls eine Verstärkung der aktivierenden Netzwerke. Zu den wirksamsten Medikamenten zur Behandlung bipolarer Störungen gehört Lithium, das im Mausmodell ebenfalls seine Wirksamkeit bei der Abschwächung der Manie-ähnlichen Symptome zeigte.

Gene spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung bipolarer Störungen, aber auch Umweltfaktoren wie Stress sind beteiligt. Bei den Mäusen bestätigte sich das: die Nager mit der krankheitsassoziierten Genvariante reagierten unter Stress anders, sie wechselten früher von einer manischen in eine depressive Phase. Das lässt Rückschlüsse auf die betroffenen Signalwege.

Signalmolekül als therapeutischer Ansatz

Die Erkenntnisse über die Bedeutung der Adenylylcyclase 2 könnten Ansatzpunkte für neue, wirksamere und individuellere Therapieansätze liefern. „Die Mutation wirkt sich direkt auf die Aktivität des Proteins aus. Das cAMP, das verschiedene Signalwege in Gang setzt, ist hier beteiligt. Es findet sich in vielen Signalwegen im menschlichen Körper und stellt daher vermutlich einen günstigen Ansatzpunkt für zukünftige Therapien dar“, weiß Deussing.

Der Wissenschaftler wählte mit seinem Team das Risikogen Adenylylcyclase 2 für ihre Analysen aus, da die Genvariante mit erhöhtem Erkrankungsrisiko zu einer veränderten Aktivität des Proteins führt. Die meisten anderen für bipolare Erkrankungen identifizierten Genvarianten haben keine unmittelbare Auswirkung auf die Aktivität eines Proteins, da sie nicht in unmittelbar proteinkodierenden Regionen des Genoms liegen. Das macht sie weniger geeignet für die Analyse molekularer Prozesse im Mausmodell, da die Unterschiede zwischen Mensch und Tier hier sehr viel größer sind. Die Eigenschaften der Proteine selbst aber sind bei Mensch und Maus nahezu identisch.

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