Fraunhofer-Spin-off matrihealth erzielt Durchbruch in der industriellen Elastin-Produktion
Wie sich Forscher- und Unternehmergeist gegenseitig beflügeln
© Fraunhofer IMWS
Das Faserprotein Kollagen gilt als Zukunftswirkstoff der Gesundheits- und Kosmetikindustrie: Bis 2031 soll der Markt für kollagenhaltige Produkte, wie Lebensmittel, Hautcremes, Anti-Aging-Präparate, medizinische Produkte und vieles mehr von derzeit rund 5 Milliarden US-Dollar auf rund 8,6 Milliarden US-Dollar anwachsen. Weit weniger bekannt, aber für den menschlichen Körper genauso bedeutend ist das Pendant zu Kollagen: das Strukturprotein Elastin. Dieses Protein sorgt für die Flexibilität von Organen und Geweben wie Blutgefäßen, Lungen und elastischen Bändern. Zudem ist es essenziell für die Eigenschaften und Funktionen der Haut und kann zum Beispiel als Bestandteil einer Wundauflage die Wundheilung fördern.
Attraktive Potenziale bietet es auch bei der Züchtung menschlichen Zellgewebes in der Transplantationsmedizin. Das natürliche Faserprotein hat einzigartige mechanische und biochemische Eigenschaften, wird nach Schädigung aber vom menschlichen Körper nicht nachgebildet. Elastin konnte im Gegensatz zu Kollagen bisher nicht im industriellen Maßstab erzeugt werden, da seine Herstellung äußerst aufwendig und damit kostenintensiv war. Das Fraunhofer Spin-off matrihealth wurde 2022 am Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS in Halle (Saale) ausgegründet, um diese Lücke zu schließen und Elastin durch neuartige Produktionsverfahren kostengünstig und im industriellen Maßstab herzustellen.
Spitzenforschung – Transfer und Ausgründung inklusive
Die Geschichte von matrihealth beginnt bereits sechs Jahre vor der eigentlichen Ausgründung des Start-ups: Christian Schmelzer, damals Gruppenleiter an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, stellte 2016 einem Begutachtungsausschuss des Förderprogramms »Attract« der Fraunhofer-Gesellschaft das Projekt »SkinNext« zur Erforschung von Möglichkeiten der industriellen Gewinnung von Elastin vor. Er skizzierte dabei auch Wege der kommerziellen Verwertung und Optionen für eine Ausgründung auf Basis der Forschungsergebnisse. Seine konzeptionellen Überlegungen für einen mittelfristigen Transfer von Forschungsergebnissen zur wirtschaftlichen Verwertbarkeit überzeugten sowohl das Gutachtergremium der Fraunhofer-Gesellschaft als auch das Fraunhofer IMWS, an dem das Projekt fortan durchgeführt wurde.
Schmelzer stellte ein eigenes Team für die Erforschung der Elastin-Isolierung zusammen, um Forschung, Entwicklung und Ausgründung parallel voranzutreiben. Tobias Hedtke, damals Student für Biochemie und heute CTO von matrihealth, gehörte vom ersten Tag an zum Team. Rund zwei Jahre später stieß der Maschinenbau-Ingenieur Marco Götze (heute Geschäftsführer) als Experte für Produktionsverfahren zu matrihealth. Der Finanzexperte Dirk Schuster ergänzte das Team als erfahrener Manager ab 2019 (heute ebenfalls Geschäftsführer). Im Rahmen der Fraunhofer-Forschung wurden in den Jahren bis zur Gründung von matrihealth zahlreiche Verfahren zur Isolation und Produktion von Elastin entwickelt, getestet und kontinuierlich optimiert. Die Ausgründung von matrihealth im Oktober 2022 schloss nahtlos an die Forschung an.
Startschuss für die nächste Dimension der Elastin-Produktion
matrihealth bietet als erstes Unternehmen ein umfangreiches Portfolio an anwendungsspezifisch konfigurierbaren Elastin-Grundstoffen für die Kosmetik-, Pharma-, Medizinprodukte- und Nahrungsmittelbranche an. Zu den erfolgreichen Produkten gehören heute neben dem wasserlöslichen Elastin auch unlösliches Elastin als Pulver, Flakes sowie Nanofaservliese und Proteinschwämme für medizinische Anwendungen. Das matrihealth-Verfahren nutzt für die Elastin-Produktion ausschließlich natürliche Rohstoffe aus Nebenerzeugnissen der Nahrungsmittelherstellung, die rückstandsfrei verarbeitet werden und schließt so Stoffkreisläufe im Rahmen der Circular Economy. Für seine Innovationskraft wurde das junge Unternehmen bereits mehrfach ausgezeichnet.
Das matrihealth-Team stand bereits im Vorfeld der Gründung im Dialog mit Fraunhofer Venture und dem Fraunhofer IMWS. Eine Ausgründung erwies sich auch für das Institut als wirtschaftlich sinnvollste Option, weil die synchrone Forschung und Verwertung dadurch auch nach der Ausgründung von matrihealth fortgesetzt werden konnte. Neben Lizenzeinkünften zeichneten sich kontinuierlich weitere Forschungsaufträge für die weitere Skalierung der Produktion und neue Anwendungsbereiche zum Nutzen aller Beteiligten ab. Knapp zweieinhalb Jahre bereiteten die Wissenschaftler aus dem Fraunhofer IMWS mit intensiver Unterstützung von Fraunhofer Venture die Gründung vor. Wichtige Erkenntnisse brachten dabei die Teilnahme am AHEAD-Programm als Deeptech Accelerator von Fraunhofer sowie lokale Expertise über den Accelerator des Technologieparks Weinberg Campus in Halle (Saale), wo das Unternehmen ansässig ist.
Die Fraunhofer-Gesellschaft beteiligte sich finanziell bereits in der Gründungsphase. Im Juni 2024 gab matrihealth eine Seed-Finanzierungsrunde im siebenstelligen Bereich bekannt. Die Finanzierungssumme wurde von zwei namhaften Privatinvestoren und der Fraunhofer-Gesellschaft für den Aufbau von Produktionskapazitäten in Halle und die Erschließung weiterer Marktsegmente bereitgestellt. Christian Schmelzer entschied sich für die Fortsetzung seiner Arbeit bei Fraunhofer, auch um auf Institutsseite weitere Ausgründungen als Win-Win-Modelle zwischen Forschung und Anwendung voran treiben zu können. matrihealth ist ein Erfolgsbeispiel für die symbiotische Verbindung aus Forschung und Anwendung, das eindrucksvoll zeigt, wie sich Forscher- und Unternehmergeist bei Fraunhofer gegenseitig beflügeln können.
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