Wann ist die beste Tageszeit für eine Krebsbehandlung?

Forschende entwickeln neue Methode, um die innere Uhr von Tumorzellen für die Optimierung von Krebstherapien zu nutzen

28.08.2024
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Symbolbild

Wie gut Medikamente wirken, hängt auch davon ab, zu welcher Tageszeit sie eingenommen werden. Der Grund: Unser Körper arbeitet nicht immer gleich, sondern im Takt der inneren Uhr, auch zirkadianer Rhythmus genannt. Da dieser bei jedem Menschen verschieden ist und von vielen Faktoren abhängt, ist es jedoch schwierig, die Medikamenteneinnahme individuell darauf abzustimmen. Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin haben nun am Beispiel bestimmter Brustkrebs-Zelllinien eine Methode entwickelt, mit der der optimale Zeitpunkt für eine Krebsbehandlung bestimmt werden kann. Ihren Ansatz beschreiben sie im Fachmagazin Nature Communications.

© Charité | Granada Lab

Mikroskop-Bild einer triple-negativen Brustkrebszelllinie. Die Zelllinie exprimiert einen Marker für den Zellkern, der für die Echtzeit-Quantifizierung von Zellen genutzt wurde, um die Empfindlichkeit der Zellen zu verschiedenen Tageszeiten zu bestimmen.

Die innere Uhr steuert den Rhythmus vieler Körperfunktionen und Stoffwechselprozesse: Schlaf und Verdauung zum Beispiel. Doch nicht nur die Organe sind zu verschiedenen Tageszeiten mehr oder weniger aktiv. Auch die einzelnen Zellen folgen dem Takt der inneren Uhr und reagieren zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich auf äußere Einflüsse. Das ist für die Chemotherapie bei Krebs von großer Bedeutung. Man weiß aus früheren Studien, dass die Wirkung einer Chemotherapie dann am effektivsten ist, wenn die Tumorzellen sich gerade teilen. In der klinischen Behandlung wurde diese Erkenntnis jedoch bisher kaum genutzt.

Deshalb hatte sich ein interdisziplinäres Team an der Charité unter der Leitung von Dr. Adrián Enrique Granada vom Charité Comprehensive Cancer Center zum Ziel gesetzt, diese Lücke zu schließen. Das Team machte sich auf die Suche nach dem optimalen Zeitpunkt für die Medikamentenverabreichung – basierend auf den individuellen zirkadianen Rhythmen der Tumoren.

Beispiel triple-negativer Brustkrebs

„Wir haben Zellen von Patientinnen mit triple-negativem Brustkrebs kultiviert, um zu beobachten, wie sie zu unterschiedlichen Tageszeiten auf die verabreichten Medikamente reagieren“, erläutert Carolin Ector, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe von Adrián Granada. Triple-negativer Brustkrebs ist eine besonders aggressive Form von Brustkrebs, gegen die es nur wenige Therapieoptionen gibt. „Mit Live-Imaging, einer Technik zur kontinuierlichen Beobachtung lebender Zellen, und komplexen Datenanalysetechniken konnten wir die zirkadianen Rhythmen, Wachstumszyklen und Medikamentenreaktionen dieser Krebszellen genau überwachen und bewerten.“

Auf diese Weise haben die Forschenden bestimmte Tageszeiten identifiziert, zu denen Krebszellen am anfälligsten für Medikamentenbehandlungen sind. So stellte sich zum Beispiel heraus, dass bei einer bestimmten Krebszelllinie das Chemotherapeutikum 5-Fluorouracil zwischen 8 und 10 Uhr morgens am besten wirkte. Maßgeblich dafür – das zeigt die Studie ebenfalls – sind bestimmte zelluläre und genetische Faktoren. Die Wissenschaftler:innen konnten sogar herausfinden, welche Gene ausschlaggebend für die zirkadiane Wirkung bestimmter Medikamente sind. „Wir nennen diese Gene ‚core clock genes‘, also zentrale Uhren-Gene. Sie beeinflussen die Empfindlichkeit von Krebszellen gegenüber Behandlungen zu verschiedenen Tageszeiten erheblich“, sagt Adrián Granada. 

Profile zeigen Reaktionen von Krebszelltypen auf Medikamente

Mit diesem Ansatz lassen sich detaillierte Profile erstellen, die zeigen, wie verschiedene Krebszelltypen zu verschiedenen Zeiten auf verschiedene Medikamente reagieren. „Das kann helfen, die effektivsten Medikamentenkombinationen zu identifizieren“, sagt Adrián Granada. „Insgesamt deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass personalisierte Behandlungspläne basierend auf den individuellen zirkadianen Rhythmen die Wirksamkeit von Krebstherapien erheblich verbessern könnten“, schlussfolgert der Wissenschaftler. Auch unerwünschte Nebenwirkungen ließen sich damit reduzieren.

Damit diese Erkenntnisse bald Eingang in die klinische Praxis finden, sollen die Ergebnisse in Studien mit einer größeren Patientinnengruppe überprüft werden. „Darüber hinaus planen wir, die molekularen Mechanismen hinter den zirkadianen Einflüssen auf die Medikamentensensitivität zu untersuchen, um die Behandlungszeitpunkte weiter zu optimieren und neue therapeutische Ziele zu identifizieren“, sagt Adrián Granada.

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