Zum ersten Mal live beobachtet: ein Photokatalysator schaltet ein Virus aus

Weißmacher Titandioxid tötet Viren - Forschende analysieren den Prozess auf Nanoskala

02.08.2024

Ein internationales Forschungsteam unter Leitung von DESY-Wissenschaftlerinnen hat erstmals beobachten können, wie der Weißmacher Titandioxid Viren abtötet. Mit Hilfe verschiedener analytischer Methoden, darunter Messungen an der Forschungslichtquelle PETRA III, konnten sie den Prozess der Inaktivierung exakt nachvollziehen und durch Computersimulationen die atomaren Details verstehen. Die Ergebnisse ihrer Analyse veröffentlichte das Team um Heshmat Noei jetzt im Fachblatt ACS Applied Materials & Interfaces.

Mona Kohantorabi, DESY NanoLab

Die Rasterkraftmikroskopie zeigt die Morphologie des Virus (kugelförmige Partikel im Bild) und die Spike-Proteine auf der Virusstruktur.

Titandioxid (TiO2) wird als leuchtend weißer Stoff gerne in Wandfarben oder Sonnenschutzmitteln eingesetzt wird. Eine recht unbekannte, aber faszinierende Eigenschaft dieser Verbindung ist, dass sie durch ihre Photoaktivität in der Lage ist, Viren zu zerstören, die mit ihr in Berührung kommen. Den Prozess, der dabei an der Oberfläche des Titandioxids abläuft, konnte das Forschungsteam jetzt genau entschlüsseln.

Die Forschenden nutzten für ihre Untersuchungen sogenannte Virus like Particles (VLP), das sind Gebilde, die echte SARS-CoV-2-Viren imitieren, denen jedoch die Erbinformationen, das genetische Material (RNA) fehlt. „Diese VLPs haben den großen Vorteil, dass sie ähnliche Strukturproteine und eine ähnliche Morphologie wie ein echtes Virus haben, aber sich nicht vermehren können und daher ohne Speziallabors sicher gehandhabt werden können“, sagt Forschungsleiterin Heshmat Noei aus dem DESY Nanolab. In diesem Fall war es ein vom Forschungszentrum Helmholtz Munich in den Gruppen von Wolfgang Hammerschmidt und Reinhard Zeidler präpariertes Covid (SARS-CoV-2)-VLP mit seinen charakteristischen Spike-Proteinen auf der Oberfläche, das den Forschenden zur Verfügung stand.

Die Gruppe beobachtete mit Hilfe der Rasterkraft-Mikroskopie im DESY NanoLab, dass die VLPs bei ihrem ersten Kontakt auf der Titandioxid-Oberfläche ihre Form und Größe beibehalten. An der PETRA III-Strahlführung P03 konnten sie dann beobachten, was weiter mit dem Virus passiert: „Wir fanden heraus, dass die Struktur des Virus unter Stickstoffatmosphäre und im Dunkeln intakt blieb, während die VLPs auf der Titandioxidoberfläche denaturiert wurden und morphologische Veränderungen erfuhren, sobald ultraviolettes Licht an der Luft auf die Probe traf. Die Luft dient als Sauerstoffquelle. Das UV-Licht löst einen Oxidationsprozess in den Aminosäuren des VLP-Proteins aus, der durch das Titandioxid als Photokatalysator begünstigt wird“, erklärt Mona Kohantorabi, die Erstautorin der Studie. Dadurch vergrößert sich das Partikel und wird im Endeffekt zerstört. Die Interpretation der Forscher wird durch die theoretische Modellierung mittels quantenmechanischer Berechnungen untermauert, die in Zusammenarbeit mit der Gruppe von Cristiana Di Valentin an der Universität Mailand-Bicocca in Italien durchgeführt wurden. Die Forschenden gehen davon aus, dass während des Adsorptions- und Oxidationsprozesses an der Oberfläche des Titandioxids die Denaturierung der Proteine und ein Zerreißen der Virusmembran stattfindet. „Mit Hilfe der Live-Messungen an der PETRA III-Strahlführung P03 haben wir zum ersten Mal die morphologischen Veränderungen der VLPs, der Strukturproteine und der viralen Nebenprodukte gleichzeitig umfassend verstanden.“, so Noei. „Diese Erkenntnisse sind für die Entwicklung und Optimierung von selbstreinigenden Materialien von entscheidender Bedeutung, da sie die Mechanismen aufzeigen, die eine gründliche Inaktivierung von behüllten Viren wie SARS-CoV-2 gewährleisten.“

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