Haarfollikel-Modelle aus dem 3D-Drucker

Innovatives Modell für Wirkstofftests gegen Infektionen an Haarfollikeln entwickelt

30.07.2024
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Symbolbild

Entzündungen der Haarfollikel sind oft schwer zu behandeln, da Bakterien sich im Spalt zwischen Haar und Haut einnisten, wo Wirkstoffe sie nur schwer erreichen können. Um dieses Szenario im Labor genauer untersuchen zu können, haben Forschende der Abteilung Wirkstofftransport über biologische Barrieren am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) nun ein Modell entwickelt, bei dem menschliche Haarfollikel in eine mittels 3D-Druck produzierte Matrix eingebettet werden. Mit diesem Modell soll künftig die Effektivität neuer Wirkstoffkandidaten gegen entsprechende Erreger direkt am humanen Follikel getestet werden. Seine Ergebnisse veröffentlichte das Team nun in der Fachzeitschrift ACS Biomaterials Science & Engineering.

Haarfollikel sind komplexe Strukturen, die die Haarwurzel umgeben, in der Haut verankern und den Haaren so ihren Halt verleihen. Gleichzeitig bietet der Bereich zwischen Haut und Follikel Mikroorganismen optimale Bedingungen, um sich ungehindert zu vermehren. Dies führt oftmals zu chronischen Entzündungen der Follikel, die nicht nur schmerzhaft sind, sondern im Falle von Akne inversa auch Folgeerkrankungen wie Diabetes mellitus oder sogar eine akute Sepsis auslösen können. Allein in Deutschland sind aktuell ca. 830.000 Menschen von dieser Erkrankung betroffen. 

Um erfolgreich neue Wirkstoffe gegen Haarfollikelentzündungen entwickeln zu können, sind Modelle erforderlich, die die physiologischen Bedingungen der Haut im Labor möglichst realistisch nachbilden können. Ein solches Modell wurde nun von einem Team um Prof. Claus-Michael Lehr am HIPS entwickelt, einem Standort des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Zusammenarbeit mit der Universität des Saarlandes. Durch die Transplantation lebender menschlicher Haarfollikel in eine Kollagenmatrix innerhalb eines 3D-gedruckten Polymergerüsts konnten die Forschenden die natürliche Umgebung der Haarfollikel erfolgreich nachbilden. “Das Modell bietet den Vorteil, dass wir neue Wirkstoffkandidaten bereits in einem frühen Entwicklungsstadium in der Haarfollikel-Mikroumgebung testen können, ohne auf Tierversuche zurückgreifen zu müssen.“, sagt der Erstautor der Studie Samy Aliyazdi. 

Bisher wurden neue Wirkstoffkandidaten gegen Haarfollikelinfektionen zunächst mit einfacheren Modellen wie etwa freischwimmenden menschlichen Haarfollikeln in Flüssigkultur getestet. Diese Modelle bilden die tatsächlichen Gegebenheiten an Patient:innen allerdings nur unzureichend ab und sind deshalb nicht ideal für biologische Wirksamkeitsstudien. Mit dem neuen 3D-Modell konnten die Forschenden bereits zeigen, dass Nanopartikel eine bessere Penetration und Verteilung innerhalb der Haarfollikel zeigen als in freischwimmenden Haarfollikel-Kulturen. Nanopartikel sind demnach dazu in der Lage, tief in die Haarfollikel einzudringen und eignen sich als Träger für Wirkstoffe. Zusätzlich konnte das Team um Lehr mit dem neuen Modell zeigen, dass Haarfollikelinfektionen mit dem Krankenhauskeim Staphylococcus aureus deutlich besser bekämpft werden können, wenn das Antibiotikum Rifampicin vorher in solche Nanopartikel „verpackt“ wird.

Das beschriebene 3D-Modell menschlicher Haarfollikel adressiert einige der Herausforderungen, die mit bisherigen Labormodellen verbunden sind. „Unser Modell bietet eine realistischere Nachbildung der menschlichen Haarfollikel-Mikroumgebung und ist langfristig kultivierbar. Wir sind hier aber noch nicht am Ende: Weitere Optimierungen, hinsichtlich der mechanischen Eigenschaften des Polymers stehen noch aus. Außerdem planen wir, noch zusätzliche Zelltypen wie Fibroblasten und Immunzellen in das Modell mit einzubeziehen, um es noch repräsentativer für die Situation an Patientinnen und Patienten zu machen.“, sagt Aliyazdi. Ein komplexeres Modell dieser Art besitzt großes Potenzial, um frühzeitig wertvolle Einblicke in die Lebensfähigkeit der Haarfollikel, das Verhalten von Krankheitserregern und letztendlich die Vorhersagbarkeit von Medikamentenwirksamkeits- und Sicherheitsbewertungen erhalten zu können. Lehr betont: „Unsere Forschung zeigt, dass das Nachbilden der natürlichen Haarfollikelumgebung entscheidend ist, um die Wirksamkeit von Antibiotika zu beurteilen. Dieses Modell könnte die Entwicklung neuer, gezielter Therapien deutlich beschleunigen und gleichzeitig die Zahl der erforderlichen Tierversuche verringern.“

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