Auf Pflanzenbasis statt mit Erdöl – neue biobasierte Materiallösungen im Pilotmaßstab greifbar machen

Vom Labor in den Pilotmaßstab – ein steiniger Weg

21.05.2024

Vor drei Jahren startete das mit rund 14 Millionen Euro von der Europäischen Union geförderte Verbundprojekt INN PRESSME. Ziel der 27 Projektpartner aus neun europäischen Ländern ist es, ein europaweites Ökosystem für die Entwicklung und Herstellung von pflanzenbasierten wiederverwertbaren und/oder biologisch abbaubaren Verpackungs-, Energie- und Transportlösungen sowie Konsumgütern aufzubauen. Aktuell sind die geplanten neun Testfälle mit Prototypen abgeschlossen und die Ergebnisse lassen aufhorchen.

Aitiip/INN PRESSME

Antimikrobiell ausgestattete Beschichtung auf 3D ge-druckten Schuhsolen. Bei der Entwicklung wirkten Aitiip, Podoactiva, IWN, Fraunhofer ISC und IPC mit.

© Fraunhofer ISC / INN PRESSME

Beschichtetes Papier mit Barrierewirkung für die Herstellung von Kosmetiktuben. Hier wirkten neben dem Fraunhofer ISC die Projektpartner Polymaris, IPC und Albea mit.

Aitiip/INN PRESSME
© Fraunhofer ISC / INN PRESSME

Der »European Green Deal« hat eine Roadmap und ein ehrgeiziges Maßnahmenpaket für die Schaffung einer nachhaltigen und grünen europäischen Wirtschaft mit Null Nettoemissionen bis 2050 vorgelegt. Die Verwirklichung eines saubereren und wettbewerbsfähigen Europas in Zusammenarbeit mit Wirtschaftsakteuren, Verbrauchern, Bürgern und Organisationen der Zivilgesellschaft unterstützt die Europäische Union auch im Rahmen Ihres Forschungsprogramms HORIZON, in dem INN PRESSME gefördert wird. INN PRESSME bietet einen doppelten Ansatz, um europäische Unternehmen bei der Erreichung der ehrgeizigen Klimaziele zu unterstützen.

Zum einen sollen pflanzenbasierte Rohstoffe für neue marktfähige Produkte und Waren entwickelt werden, die auch kreislauffähig sind. Dank Nanotechnologie sollen diese Materialien die Leistungen der derzeitigen fossilbasierten Materialien erreichen und sogar übertreffen.

Zum anderen soll die Digitalisierung unterstützt werden, indem den Unternehmen alle Daten und Werkzeuge zur Modellierung der Lebenszyklus-Wertschöpfungskette zur Verfügung gestellt werden, die mit der Umstellung der industriellen Produktion – von der Rohstoffumwandlung bis zur Materialverarbeitung – kompatibel sind. Dies ist der Schlüssel zur Maximierung der Nutzung von Ausgangsmaterialien in der Kreislaufwirtschaft, die auch von umfangreichen LCA, LCCA und LCI-Studien begleitet wird.

Die insgesamt neun Testfälle für eine Pilotproduktion in ganz unterschiedlichen Branchen sind nach drei Jahren Projektlaufzeit wie geplant abgeschlossen worden. Die Herstellung der Demonstratoren aus biobasierten Materialien für umweltfreundliche Verpackungen, Energie, Transport und Konsumgüter konnte erfolgreich im Pilotmaßstab demonstriert werden. Hierfür wurden bestehende Pilotanlagen mit Projektmitteln erweitert und an die neuen Anforderungen angepasst.

Das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC hat im Projekt INN PRESSME die anspruchsvolle Aufgabe übernommen, die aus pflanzenbasierten Rohstoffen gefertigten Produkte mit speziellen biobasierten funktionellen Beschichtungen für ihre jeweiligen Anforderungen im Gebrauch fit zu machen. Insgesamt war das Fraunhofer ISC in sechs Testfällen involviert. Dabei hat das Institut ein bioORMOCER®-Material modifiziert, das für den Verpackungsbereich als Barriereschichten konzipiert wurden. So wurden neben bioabbaubaren Barriereschichten für papierbasierte Verpackungen auch kratzbeständige und optische Schichten für Automotive-Anwendungen mit dem speziellen ORMOCER® möglich. Darüber hinaus konnten antimikrobielle sowie leicht zu reinigende (easy-to-clean) Beschichtungen für Sportprodukte und Schuhsohlen entwickelt werden.

Vom Labor in den Pilotmaßstab – ein steiniger Weg

Was im Labor funktioniert, muss noch lange nicht im Produktionsmaßstab das gleiche Ergebnis erzielen. Das Hochskalieren der hergestellten Materialmengen erfolgt deshalb in festgelegten Schritten, um die nötigen Anpassungen an Materialformulierung und Herstellprozess durchzuführen. Im Fraunhofer ISC wurde dieses Hochskalieren bis in den Pilotmaßstab durchgeführt. So konnten z. B. ein 100-Liter-Lackreaktor und eine Rolle-zu-Rolle Anlage eingesetzt werden, um die Barriereschichten auf ein mit Nanolayern modifiziertes Papier aufzutragen. Aufgrund der geringen Schichtdicken, die benötigt werden, reicht die Menge von 100 Litern für bis zu 3000 Quadratmeter beschichteter Fläche aus. Eine besondere Herausforderung bei der Entwicklung der Beschichtungsformulierung war es, die Beschichtungen auf die Qualität und die Anforderungen der jeweiligen, biobasierten Substrate abzustimmen. Dabei mussten die Eigenschaften sehr individuell angepasst werden, da insbesondere biobasierte Materialien komplexe Oberflächen haben, wenig temperaturstabil oder auch chemikalienstabil sind. Auch die Bearbeitung von biobasierten Materialien in Rolle-zu-Rolle-Prozessen ist oft schwierig und die erwarteten Taktraten werden oft erst mit weiterer Anpassung erreicht.

Zusammen mit den Partnern wurde aber trotz aller technischen Herausforderungen mit den erfolgreich bearbeiteten Testfällen bewiesen, dass der Aufbau eines europaweiten Pilotanlagen-Netzwerks in verschiedenen Institutionen gelungen ist und die Kooperation bei den verschiedenen Arbeitsschritten reibungslos funktioniert.

Eingespielte Infrastruktur für Unternehmen

Dieses Pilotanlagen-Netzwerk wird zukünftig Unternehmen über einen sogenannten Single Entry Point (SEP) zur Verfügung stehen. Sie erhalten so effektive Unterstützung bei der Hochskalierung von eigenen biobasierten Lösungen mit einer hervorragend ausgebauten Infrastruktur, ohne selbst schon in eigene Anlagen investieren zu müssen. Damit reduziert INN PRESSME deutlich die unternehmerischen Risiken bis zur Marktfähigkeit von neuen pflanzenbasierten Produkten. Das letzte Projektjahr wird nun dafür genutzt, den SEP aufzubauen und umfassende Lebenszyklus-Analysen sowie End-of-life Bewertungen hinsichtlich Bioabbaubarkeit und Recyclingfähigkeit durchzuführen.

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