Väterliches Darmmikrobiom beeinflusst nächste Generation
Beeinträchtigungen des Darmmikrobioms bei männlichen Mäusen vor der Empfängnis erhöht das Krankheitsrisiko ihrer Nachkommen
Joana Carvalho/Isabel Romero Calvo/EMBL
Folglich ist eine ausgewogene Darmmikrobiota in vielerlei Hinsicht wichtig für die Gesundheit von Säugetieren, z. B. bei der Regulierung des Immun- und Hormonsystems. Dies wiederum wirkt sich auf die Physiologie des Gewebes im gesamten Körper aus. Bisher war jedoch wenig darüber bekannt, wie sich die Darmmikrobiota auf die Fortpflanzung des Wirtes auswirkt und ob eine veränderte Mikrobiota des Vaters die Gesundheit seiner Nachkommen beeinflussen könnte.
Die Hackett-Gruppe am EMBL Rom machte sich in Zusammenarbeit mit den Bork- und Zimmermann-Gruppen am EMBL Heidelberg daran, diese Frage zu beantworten, und veröffentlichte ihre Ergebnisse jetzt in der Fachzeitschrift Nature. Die Forschenden wiesen nach, dass eine Beeinträchtigung der Darmmikrobiota bei männlichen Mäusen die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ihre Nachkommen mit geringem Gewicht geboren werden, ein stark eingeschränktes Wachstum aufweisen und vorzeitig sterben.
Was an die nächste Generation weitergegeben wird
Um die Auswirkungen der Darmmikrobiota auf die männliche Fortpflanzung und ihre Nachkommen zu untersuchen, veränderten die Forschenden die Zusammensetzung der Darmmikroben bei männlichen Mäusen, indem sie die Mäuse mit gängigen Antibiotika, welche nicht in die Blutbahn gelangen, behandelten. Dies führt zu einer sogenannten Dysbiose, bei der das mikrobielle Ökosystem im Darm aus dem Gleichgewicht gerät.
Anschließend analysierten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen die Veränderungen in der Zusammensetzung wichtiger Hodenstoffwechselprodukte. Sie fanden heraus, dass die Dysbiose bei männlichen Mäusen die Größe und die Physiologie der Hoden sowie die Zusammensetzung der Metaboliten und die Hormonsignalisierung beeinflusst. Zumindest ein Teil dieser Wirkung wurde durch Veränderungen des Spiegels des Schlüsselhormons Leptin im Blut und in den Hoden von Männchen mit induzierter Dysbiose vermittelt. Diese Beobachtungen legen nahe, dass bei Säugetieren eine “Darm-Keimbahn-Achse” als wichtige Verbindung zwischen dem Darm, seiner Mikrobiota und der Keimbahn existiert.
Um die Bedeutung dieser “Darm-Keimbahn-Achse” für die Vererbung von Merkmalen an die Nachkommen zu verstehen, paarten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen unbehandelte und dysbiotische Männchen jeweils mit unbehandelten Weibchen. Mäusewelpen, die von dysbiotischen Vätern gezeugt wurden, wiesen ein deutlich geringeres Geburtsgewicht und eine höhere postnatale Sterblichkeitsrate auf. Verschiedene Kombinationen von Antibiotika sowie Behandlungen mit Dysbiose-induzierenden Laxantien (die ebenfalls die Mikrobiota beeinträchtigen) wirkten sich ähnlich auf die Nachkommen aus.
Wichtig ist die Feststellung, dass dieser Effekt reversibel ist. Sobald die Antibiotika abgesetzt werden, erholt sich die väterliche Mikrobiota. Wenn Mäuse mit ‘erholter’ Mikrobiota mit unbehandelten Weibchen gepaart wurden, kamen ihre Nachkommen mit normalem Geburtsgewicht zur Welt und entwickelten sich ebenfalls normal.
“Wir haben beobachtet, dass diese Auswirkungen zwischen Generationen verschwinden, sobald eine normale Mikrobiota wiederhergestellt ist. Das bedeutet, dass Veränderungen der Darmmikrobiota, die intergenerative Effekte verursachen können, bei zukünftigen Vätern verhindert werden könnten,” sagte Peer Bork, Direktor des EMBL Heidelberg, der an der Studie beteiligt war. “Der nächste Schritt wird sein, im Detail zu verstehen, wie verschiedene Umweltfaktoren wie Medikamente, einschließlich Antibiotika, die väterliche Keimbahn und damit die Embryonalentwicklung beeinflussen können.”
Ayele Denboba, Erstautor der Publikation, ehemaliger Postdoc in der Hackett-Gruppe und jetzt Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Immunologie und Epigenetik in Freiburg, fügte hinzu: “Die Studie entstand, um die Umwelteinflüsse auf Väter zu verstehen, indem die Darmmikrobiota als ein Nexus von Wirt-Umwelt-Interaktionen betrachtet wurde, wodurch ein hinreichendes Ursachenmodell geschaffen wurde, um intergenerationelle Gesundheitsrisiken in komplexen ökologischen Systemen zu bewerten.”
Auswirkungen des Vaters auf das Krankheitsrisiko während der Schwangerschaft
In ihrer Arbeit entdeckten Hackett und seine Kollegen auch, dass Plazentadefekte, einschließlich schlechter Vaskularisierung und vermindertem Wachstum, häufiger bei Schwangerschaften durch dysbiotischen Männchen auftraten. Die defekten Plazenten wiesen die Merkmale einer beim Menschen häufig auftretenden Schwangerschaftskomplikation, der Präeklampsie, auf, die das Wachstum der Nachkommen beeinträchtigt und ein Risikofaktor für die Entwicklung einer ganzen Reihe von Krankheiten im späteren Leben ist.
“Unsere Studie zeigt, dass es Kommunikation zwischen der Darmmikrobiota und dem Fortpflanzungssystem von Säugetieren gibt. Darüber hinaus erhöhen Umweltfaktoren, die diese Signale bei angehenden Vätern beeinträchtigen, das Risiko für negative Auswirkungen aud die Gesundheit der Nachkommen durch Veränderungen der Plazentaentwicklung”, sagte Jamie Hackett, Koordinator des Forschungsprojekts und Leiter der EMBL Rom-Gruppe. “Das bedeutet, dass bei Mäusen die Umgebung des Vaters kurz vor der Empfängnis die Eigenschaften der Nachkommen unabhängig von der genetischen Vererbung beeinflussen kann.”
“Gleichzeitig stellen wir fest, dass der Effekt nur für eine Generation gilt, und ich sollte klarstellen, dass weitere Studien erforderlich sind, um zu untersuchen, wie weitreichend diese Effekte sind und ob sie auch für den Menschen von Bedeutung sind. Bei der Übertragung von Ergebnissen aus Mausmodellen auf den Menschen müssen intrinsische Unterschiede berücksichtigt werden”, so Hackett weiter. “Angesichts der in der westlichen Kultur weit verbreiteten Ernährungs- und Antibiotikapraktiken, von denen bekannt ist, dass sie die Darmmikrobiota beeinträchtigen, ist es wichtig, die väterlichen intergenerationalen Effekte – und wie sie sich auf Schwangerschaft und Krankheitsrisiko auswirken könnten – genauer zu betrachten.”
Originalveröffentlichung
Ayele Argaw-Denboba, Thomas S. B. Schmidt, Monica Di Giacomo, Bobby Ranjan, Saravanan Devendran, Eleonora Mastrorilli, Catrin T. Lloyd, Danilo Pugliese, Violetta Paribeni, Juliette Dabin, Alessandra Pisaniello, Sergio Espinola, Alvaro Crevenna, Subhanita Ghosh, Neil Humphreys, Olga Boruc, Peter Sarkies, Michael Zimmermann, Peer Bork, Jamie A. Hackett; "Paternal microbiome perturbations impact offspring fitness"; Nature, 2024-5-1