Rauchen und E-Zigaretten verändern Zellen
E-Zigaretten nicht so harmlos wie angenommen?
Dass der Konsum von Tabak negative gesundheitliche Folgen birgt, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Schätzungen zufolge verursachte er im Jahr 2019 weltweit 7,69 Millionen Todesfälle – Tendenz steigend. Auf der Suche nach Alternativen zur klassischen Zigarette steigen Menschen vermehrt auf (Einweg-)E-Zigaretten um. Besonders ausgeprägt ist der Anstieg des E-Zigaretten-Konsums verwandten Studien zufolge unter den 18- bis 24-Jährigen sowie bei aktiven Raucher:innen und Personen, die im letzten Jahr mit dem Rauchen aufgehört haben.
Neue Einblicke in rauchbedingte Zellveränderungen
Eine neue Studie des European Translational Oncology Prevention & Screening (EUTOPS) Institut, das 2020 in Kooperation von Land Tirol und Uni Innsbruck gegründet wurde, erforschte in Zusammenarbeit mit dem University College London (UCL), der Universität Bristol und dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) die molekularen Auswirkungen von Tabak und E-Zigaretten auf das Epigenom verschiedener Zellen. Die Ergebnisse der Studie wurden kürzlich in der Fachzeitschrift Cancer Research veröffentlicht. Sie wurde mit Mitteln aus dem Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union, The Eve Appeal und Cancer Research UK unterstützt.
Das Epigenom überlagert unser genetisches Material (DNA) wie eine Schicht aus Informationen. Stellt man sich die DNA als "Hardware" eines Computers vor, so ist die Epigenetik ihre "Software": Sie bestimmt wie, wo und wann die vom Computer verwendeten Programme ausgeführt werden. Das Epigenom kann sich im Laufe unseres Lebens durch eine Vielzahl genetischer und nichtgenetischer Faktoren verändern. Dazu gehören der Alterungsprozess, unsere Lebensweise und der Kontakt mit Chemikalien und anderen Umweltfaktoren. „Das Epigenom erlaubt uns einerseits einen Blick zurück und gibt uns Aufschluss darüber, wie unser Körper auf eine frühere Umwelteinwirkung reagiert hat. Andererseits kann die Erforschung des Epigenoms auch eine Vorhersage über zukünftige Gesundheit und Krankheit ermöglichen“, erklärt Studienautor Martin Widschwendter, Professor für Krebsprävention und Screening an der Universität Innsbruck und Leiter des EUTOPS-Instituts.
Eine häufig untersuchte Art von epigenetischen Veränderungen ist die sogenannte DNA-Methylierung. Dabei wird die Erbsubstanz durch die enzymatische Übertragung von Methylgruppen auf ausgewählte DNA-Basen modifiziert. Die Forscher:innen analysierten nun in mehr als 3.500 Proben wie sich das Rauchen von klassischen und elektronischen Zigaretten auf die DNA-Methylierung in Zellen auswirkt, die dem Tabak direkt ausgesetzt sind (z.B. Zellen in der Mundhöhle) und auf solche, die ihm indirekt ausgesetzt sind (z.B. Gebärmutterhalszellen).
Präzise Rauchgeschichte im Epigenom erkennbar
Wie computergestützte Analysen der Proben zeigten, blieben durch das Rauchen hervorgerufene epigenetische Veränderungen in vielen Zellen jahrelang stabil. So konnten die Forscher:innen durch epigenetische Auswertung in Proben der Mundschleimhaut mit über 90% Genauigkeit sagen, ob eine Person aktuell raucht, früher geraucht hat, oder niemals geraucht hat.
Die Forscher:innen fanden zudem heraus, dass sogenannte Epithelzellen, die normalerweise Organe auskleiden und meist die Ursprungszellen für Krebs sind, im Mund von Raucher:innen ein "pro-karzinogenes" Epigenom verursachen – das heißt, dass sie ähnliche Veränderungen aufweisen wie Krebszellen. Dieselben epigenetischen Veränderungen wurden auch in den Mundzellen von E-Zigaretten-Nutzer:innen mit einer sehr begrenzten Rauch-Vorgeschichte und bei Benutzer:innen von Schnupftabak (Snus) beobachtet. Anhand dieser Veränderungen konnte mit einer Genauigkeit von über 90% festgestellt werden, ob eine Person E-Zigaretten oder Snus konsumiert.
E-Zigaretten nicht so harmlos wie angenommen?
Es ist die erste Studie, die die epigenetischen Auswirkungen des Rauchens und des Konsums von E-Zigaretten auf verschiedene Zellen im Körper untersucht – inklusive der Zellen, die durch den Tabakkonsum häufig Krebs entwickeln, zum Beispiel Mundschleimhautzellen. Sie ist außerdem eine der ersten Studien, die sich der Untersuchung potenziell längerfristiger Gesundheitsfolgen des E-Zigarettenkonsums widmet. „Unserer Ergebnisse deuten darauf hin, dass E-Zigaretten und insbesondere deren Langzeitfolgen noch genauer geprüft werden müssen, bevor sie allgemein als ‚95 % sicherer als Zigaretten‘ zur Raucherentwöhnung empfohlen werden. Während sie ein wichtiges Mittel zur Zigarettenentwöhnung darstellen können, ist es wichtig, ihre Risiken und potentielle Verbindung zu langfristigen Gesundheitskonsequenzen zu erforschen“, erklärt Erstautorin Chiara Herzog, Molekularmedizinerin am EUTOPS-Institut. „Wir hoffen, dass diese Studie zu einer breiteren Diskussion beiträgt, warum es wichtig ist, sowohl Tabak- als auch den E-Zigarettenkonsum einzuschränken – insbesondere bei Jugendlichen und Menschen, die noch nie geraucht haben.“
Implikationen für die Krebsvorhersage
In Zukunft wollen die Forscher:innen sich intensiver mit der Bewertung der langfristigen Gesundheitsrisiken von (E-)Zigaretten auseinandersetzen, indem sie untersuchen, wie die per Mundabstrich gewonnenen Ergebnisse zu epigenetischen Veränderungen dazu genutzt werden könnten, Personen mit dem höchsten Krebsrisiko zu identifizieren. „Veränderungen, die in Lungenkrebsgewebe beobachtet werden, können auch in Mundzellen von Raucher:innen festgestellt werden, die (noch) nicht selbst krebsartig sind. Wichtig ist, dass unsere Forschung darauf hinweist, dass Nutzer von E-Zigaretten dieselben Veränderungen aufweisen und, dass diese neuen Produkte möglicherweise nicht so harmlos sind, wie ursprünglich angenommen. Langfristige Studien über E-Zigaretten sind erforderlich“, betont Martin Widschwendter.