Das Immunsystem in Schach halten

Forschende entdecken einen Regulationsmechanismus, der eine übermäßige und schädliche Abwehrreaktion des Immunsystems verhindert

11.03.2024
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Symbolbild

Forscher*innen des Zentrums für Biochemie an der Medizinischen Fakultät und des Alternsforschungs-Exzellenzclusters CECAD der Universität zu Köln haben herausgefunden, dass eine überschießende Immunantwort durch die Intramembranprotease RHBDL4 verhindert werden kann. In einer jetzt in Nature Communications unter dem Titel „RHBDL4-triggered downregulation of COPII adaptor protein TMED7 suppresses TLR4-mediated inflammatory signaling“ veröffentlichten Studie wird ein bisher unbekannter Regulationsmechanismus beschrieben: Die Spaltung eines Transportrezeptors durch eine sogenannte Intramembranprotease verringert die Lokalisierung eines zentralen Immunrezeptors auf der Zelloberfläche und damit die Gefahr, dass es zu einer Überreaktion des Immunsystems kommt.

Intramembranproteasen sind reaktive Proteine, die in den Membranen von Zellen sitzen. Sie bilden eine besondere Gruppe der Proteasen, da sie Proteine innerhalb von Zellmembranen spalten können. Viele dieser ungewöhnlichen Proteasen sind noch nicht ausreichend erforscht und nur wenige der Moleküle, die sie schneiden können – die sogenannten Substrate – und damit auch ihre Funktionen sind bekannt. Eine dieser Intramembranproteasen ist RHBDL4. Sie kommt im Endoplasmatischen Retikulum vor, einem weit verzweigten intrazellulären Membransystem, das unter anderem für die korrekte Faltung von neusynthetisierten Proteinen, die in den sekretorischen Weg eingespeist werden, zuständig ist.

Auf der Suche nach Substraten und dem Wirkmechanismus für RHBDL4 hat das Team um Marius Lemberg, Professor für Biochemie und Forschungsgruppenleiter am Alternsforschungs-Exzellenzclusters CECAD der Universität zu Köln, einen Mechanismus zur Regulierung des angeborenen Immunsystems entdeckt. Dabei wird ein Transportprotein gespalten und so der Transport eines Immunrezeptors zur Zelloberfläche verhindert.

Um einen ersten Einblick in die physiologische Funktion von RHBDL4 zu erhalten, untersuchte das Forschungsteam Gewebekulturzellen mittels Massenspektrometrie auf Substrate. Zu den Substratkandidaten gehörten mehrere sogenannte Frachtrezeptoren. Hierbei handelt es sich um Proteine, die für den Transport bestimmter Proteine entlang des sekretorischen Weges notwendig sind. Anders als lange angenommen, werden die meisten Proteine nicht einfach unspezifisch aus dem Endoplasmatischen Retikulum geschleust, sondern müssen durch Frachtrezeptoren gezielt gebunden und transportiert werden. Ein solcher Frachtrezeptor, TMED7, wurde nun als Substrat von RHBDL4 charakterisiert.

Durch die Spaltung dieses Frachtrezeptors kann die Zelle den Transport bestimmter Proteine präzise und schnell steuern und so die Zelle an die gegebenen Umweltbedingungen anpassen. „Eine solche Regulierung von Transportprozessen durch Spaltung von Frachtrezeptoren durch eine Intramembranprotease wurde bisher noch nicht beschrieben“, erklärt Marius Lemberg die Bedeutung der Entdeckung.

Diese Erkenntnis ist besonders interessant vor dem Hintergrund, dass der Frachtrezeptor TMED7 einen zentralen Immunrezeptor des angeborenen körpereigenen Abwehrsystems an die Zelloberfläche transportiert – den so genannten Toll-like-Rezeptor 4, kurz TLR4. Wenn TLR4 mit Bestandteilen bakterieller Zellwände in Kontakt kommt, löst er eine Immunantwort, also eine Abwehrreaktion, aus. Die Spaltung des Frachtrezeptors TMED7 durch RHBDL4 führt dazu, dass weniger TLR4-Moleküle die Zelloberfläche erreichen und in der Folge die Immunantwort auf bakterielle Zellwandbestandteile verringert wird.

Da eine Überaktivierung von TLR4 den Organismus schädigen und sogar zu einer Blutvergiftung (Sepsis) beitragen kann, muss die TLR4-vermittelte Immunantwort vom Körper streng reguliert werden. Mit Hilfe eines Mausmodells zeigte das Team in Zusammenarbeit mit Dr. Colin Adrain von der Queen’s University Belfast im Vereinigten Königreich, dass RHBDL4 entscheidend ist, um eine Überaktivierung von TLR4 zu verhindern. Dadurch schützt es den Organismus. „Bei Stimulation des Rezeptors produzieren Zellen verstärkt RHBDL4 – es gibt also eine negative Rückkopplungsschleife, die verhindert, dass eine überschießende Immunantwort des Rezeptors dem Organismus schadet“, resümiert Lemberg.

Um mehr über die klinische Relevanz der Transportregulierung durch RHBDL4 zu erfahren, arbeitete das Team mit der Gruppe von Privatdozent Dr. Jan Rybniker am Universitätsklinikum Köln zusammen und entdeckte, dass die Regulierung auch dann wichtig ist, wenn Zellen Krankheitserregern wie dem Tuberkulose-Keim Mycobacterium tuberculosis ausgesetzt sind. Darüber hinaus brachte das Team um Professor Lemberg eine genetische Mutation in der Protease RHBDL4 mit dem Kawasaki-Syndrom in Verbindung, einer immunologischen Erkrankung, die mit einer Überreaktion des Immunsystems einhergeht und vor allem Kinder betrifft. Lemberg folgert daraus: „Dieses Projekt zeigt die Leistungsfähigkeit der Grundlagenforschung, die mithilfe sehr einfacher Modelle wie Gewebekulturzellen grundlegende neue Erkenntnisse über die menschliche Biologie und Krankheiten gewinnt.“

Originalveröffentlichung

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