Zeitreise durch die Genomik
Rekonstruktion eines 1.300 Jahre alten Phagen-Genoms zeigt Ähnlichkeiten zu modernem, Darmbakterien befallenden Virus
Eine bislang weitestgehend unerforschte Quelle für mikrobielle Vielfalt sind Jahrhunderte bis Jahrtausende alte Proben aus dem menschlichen Darm und des Stuhls. Mithilfe von modernen wissenschaftlichen Methoden, wie der Metagenom-Sequenzierung, konnten Forschende in der Vergangenheit bereits die DNA von Bakterien rekonstruieren. Diese geben Aufschluss über die Beschaffenheit des menschlichen Darmmikrobioms aus dem vorindustriellen Zeitalter.
„Wir wollten diese bereits vorhandene Datenbank auf Überreste von Bakteriophagen, also bakterienbefallende Viren, untersuchen“, sagt Piotr Rozwalak, Erstautor einer neuen Studie und Doktorand in der Gruppe rund um den „Balance of the Microverse“-Professor Bas Dutilh an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Bakteriophagen sind interessant, weil sie beispielsweise beeinflussen, wie schädlich ein Bakterium ist. Wie die Forschenden in der Studie berichten, gelang es ihnen, eine Vielzahl von prähistorischen Phagen-Genomen zu identifizieren und zu rekonstruieren.
„Bakteriophagen befinden sich in einem ständigen Aufrüstungswettbewerb mit ihren Wirten, also den Bakterien. Deshalb verändern sie sich ständig. Umso ungewöhnlicher ist, dass wir auf ein Phagengenom gestoßen sind, das mit dem des gegenwärtigen Mushuvirus mushu beinahe identisch ist“, sagt Rozwalak. Das Phagengenom stammt aus einer 1.300 Jahre alten Stuhlprobe aus Mexiko, während aktuelle Nachweise des Mushuvirus mushu ihren Ursprung in Abwasserproben aus Frankreich haben. Dabei stimmen die DNA-Sequenzen in den beiden Proben laut der Forschenden zu 97,7 % überein. „Wahrscheinlich ermöglicht die Tatsache, dass der Bakteriophage in das bakterielle Genom eingebaut ist, eine lange und stabile Beziehung zwischen ihnen, ohne das traditionelle Wettrüsten, das für Viren und ihre Wirte typisch ist“, so Rozwalak. Dies könnte erklären, warum es bei diesem speziellen Phagen in den letzten 1.300 Jahren keine nennenswerte Evolution gegeben zu haben scheint.
„Diese Entdeckung beweist nicht nur, dass es möglich ist, alte Phagen-Genome zu rekonstruieren. Vielmehr zeigt sie, dass noch viel Wissen über die Vielfalt und Evolution von Viren im Dunkeln schlummert“, sagt Rozwalak. Diese virale Diversität zu katalogisieren und damit weiterer Forschung zugänglich zu machen, ist eines der nächsten Ziele der Forschenden.
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