Mehr Geld für Chemie-Beschäftigte?
Hauptvorstand der IGBCE beschließt Forderungsempfehlung für Chemie-Tarifrunde 2024
„Dies ist eine Forderungsempfehlung mit Maß und Mitte“, sagt IGBCE-Tarifvorstand und Chemie-Verhandlungsführer Oliver Heinrich. „Sie überfordert auf Unternehmensseite niemanden – aber hilft auf Belegschaftsseite vielen.“ Es sei gelungen, zweierlei einzupreisen: die in Teilbereichen der Industrie schwierige wirtschaftliche Lage ebenso wie die spürbaren Reallohnverluste der Beschäftigten. „Wir wollen den Menschen den Optimismus zurückbringen und die Binnennachfrage stärken. Das hilft nicht nur unseren Mitgliedern, sondern auch dem Wirtschaftsstandort.“
„Reallohnverluste werden wir nicht akzeptieren“
Zwar habe der letzte Tarifabschluss aus Oktober 2022 mit zweimal 3,25 Prozent Plus und insgesamt 3000 Euro steuer- und abgabenfreier Inflationsausgleichsprämie die massiven Preissteigerungen über die Laufzeit von 20 Monaten ausgleichen können. „Aber die Wirkung der Prämien ist inzwischen verpufft“, so der Tarifvorstand. Heute müssen sich nach einer aktuellen IGBCE-Umfrage drei von vier Beschäftigten beim Haushaltsbudget einschränken, eine Mehrheit von 59 Prozent blickt für sich persönlich pessimistisch in die Zukunft. „Das darf so nicht bleiben. Reallohnverluste in dieser Leitindustrie werden wir nicht akzeptieren“, machte Heinrich deutlich.
Der Forderungsrahmen decke deshalb genau diesen Reallohnverlust ab – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die Arbeitgeber sollten sich hüten, eine ganze Branche in die Krise zu reden und davon zu fabulieren, dass es nichts zu verteilen gebe, warnt der Verhandlungsführer. Schwierig sei die Lage allein in den energieintensiven Industrien, die Geschäfte der Pharma- oder Konsumgüterindustrie beispielsweise liefen glänzend. Die Quote der Unternehmen, die krisenbedingt von Öffnungsklauseln Gebrauch mache, liege aktuell weit unter 5 Prozent. „Eine allumfassende Krise sieht anders aus“, macht Heinrich klar. „Wir haben eine bodenständige Forderung vorgelegt – jetzt erwarten wir auch Realitätssinn vom Sozialpartner.“
Mehr Schutz für IGBCE-Mitglieder
Das gelte auch für den zweiten Punkt der Forderungsempfehlung: tarifliche Regelungen für besseren Schutz und Arbeitsplatzsicherheit für IGBCE-Mitglieder. Beide Seiten hatten sich bereits im vergangenen Tarifvertrag darauf verständigt, gemeinsam Regelungen zur Stärkung der Tarifbindung verabreden zu wollen. Für die IGBCE ist dies eng verbunden mit einem wachsenden Organisationsgrad in den Betrieben. Der wiederum lässt sich unter anderem mit tariflichen Vorteilen für Gewerkschaftsmitglieder erreichen. Bislang hätten die Arbeitgeber Vorteilsregelungen blockiert, so Heinrich. „Aber wir werden nicht nachgeben.“ Denkbar seien beispielsweise ein besserer Kündigungsschutz oder höhere Zuschüsse zu Kranken- oder Kurzarbeitergeld für Gewerkschaftsmitglieder.
Die Forderungsempfehlung umfasst zudem eine Modernisierung des Bundesentgelttarifvertrags (BETV). „Hier herrscht ein gewaltiger Modernisierungsstau“, sagt der IGBCE-Tarifvorstand. Der BETV stamme aus dem Jahr 1987, kenne noch nicht mal Bachelor und Master, habe viel zu komplizierte Regelungen bei Höhergruppierungen und umfasse inzwischen viele Akademikerinnen und Akademiker nicht mehr.
Weiteres Timing
Die Forderungsempfehlung wird in den kommenden Wochen breit unter den Belegschaften der gut 1700 Betriebe der chemisch-pharmazeutischen Industrie diskutiert. Ab Mitte März werden die regionalen Tarifkommissionen ihre Forderungen beschließen, bevor am 10. April die Bundestarifkommission die endgültige Forderung aufstellt. Bereits fünf Tage später beginnen die regionalen Tarifgespräche. Anschließend wechseln die Verhandlungen auf die Bundesebene. Für den 14./15. Mai ist die erste Bundestarifverhandlung angesetzt, dazu treffen sich beide Seiten in Teistungen bei Göttingen.
Die Friedenspflicht endet am 30. Juni 2024.